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strebte es die Wiederherstellung des Bundestages, welcher vom
Frankfurter Parlament aufgehoben worden war. Ein Streit des
kurhessischen Ministers Hassenpflug mit den hessischen Ständen
wegen Verfassungsverletzung veranlaßte die Mobilmachung des
östreichischen und des preußischen Heeres. Der wieder zusammen¬
getretene Bundestag sandte ein östreichisches und ein bairisches Heer
ins Land, die Hessen zur Unterwerfung zu bringen; auch Preußen
war bereit, dem Bundestag entgegenzutreten und mit Oestreich den
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zu beginnen, aber
die drohende Haltung Rußlands verhinderte diesmal den Ausbruch
des Krieges. Noch einmal gab Preußen nach; der Bundestag
wurde wieder hergestellt, und Oestreich trat wieder 'an die Spitze
Deutschlands.
d. Friedrich Wilhelms IV. Verdienste. Friedrich Wil-
helm's Regierungsjahre sind von reichem Segen für sein Land
gewesen, besonders auch durch die Pflege christlichen und kirchlichen
Sinnes. Er unternahm öfter Reisen durch das Land, um sich
selbst von dem Zustande desselben zn überzeugen; seine Unter¬
thanen durften ihm da jederzeit nahen und ihre Gesuche vorbringen.
Als er einst auf einer solchen Reise in ein Städtchen kam, waren ihm
die Bewohner desselben und die Schulkinder bis vor das Thor entgegen
gekommen. Ein weißgekleidetes Mädchen überreichte dem König einen Strauß
und sprach dabei ein sinniges Gedicht. Der König, dem das Kind gefiel,
fragte es. indem er auf eine Blume hinwies: „Wohin gehört denn das?-
„Ins Pflanzenreich," war die Antwort. „Und wohin gehört dieser Stein?"
fragte er, auf einen Stein zeigend, weiter. .Ins Mineralreich/ antwortete
das Kind. „Wohin gehöre ich denn?" war die dritte Frage. Ohne Zan¬
dern antwortete das Kind: „Ins Himmelreich." Da hob der König das
Kind empor, küßte es, und eine Thräne erglänzte in seinem Auge.
Auf alle Gebiete erstreckte sich des Königs Fürsorge: er hob
die Industrie, setzte für Handel und Gewerbe ein eignes Mini¬
sterium ein, erleichterte den Postverkehr, vermehrte Fluß- und
Seeschifffahrt, ließ Eisenbahn- und Telegraphenlinien anlegen.
An der Nordsee erwarb er vom Großherzog von Oldenburg ein
Gebiet*), welches später zur Anlegung eines Kriegshafens benutzt
wurde. Kunst und Wissenschaft fanden treue Pflege und För¬
derung, und zahlreiche Anstalten christlicher Barmherzigkeit, Waisen¬
häuser, Krankenhäuser u. f. w. wurden gegründet. Im Verein
mit England stiftete Friedrich Wilhelm in Jerusalem ein evan¬
gelisches Bisthum.
*) Das Iahdeyebiet.