Full text: Sagen aus der Welt der Griechen und Römer, deutsche Sagen, Lebensbilder aus allen Teilen der Weltgeschichte (Teil 1)

Rudolf von Habsburg. 
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Endlich fiel die Wahl auf den Grafen Rudolf von Habsburg. Er 
besaß bedeutende Güter in der Schweiz. Diese Besitzungen waren zwar 
viel geringer, als die der übrigen deutschen Fürsten; allein Rudolf 
war wegen seiner Tapferkeit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit allgemein 
geehrt. Einst begegnete ihm auf der Jagd ein Priester, der zu 
einem Kranken ging. Das Wetter und die Wege waren schlecht. 
Rudolf stieg von seinem Pferde und gab es Dem Geistlichen. Als 
er die Kunde von seiner Kaiserwahl vernahm, begab er sich zur Krönung 
nach Aachen. Zufällig war das Zepter, welches bei der Krönung dem 
Kaiser in der Kirche überreicht wird, vergessen worden. Schnell er¬ 
griff Rudolf das Kruzifix vom Altar und sagte: „Dieses Kreuz, in 
welchem wir und die Welt erlöset sind, wird ja wohl die Stelle eines 
Zepters vertreten können." Nachdem der Papst die Wahl des Kaisers 
bestätigt hatte, trat Rudolf seine segensreiche Regierung an. 
Er hatte sich zum Ziele gesetzt, das Ansehen Deutschlands wieder 
herzustellen. Daher wollte er von Italien gar nichts wissen. Er 
sagte, wie in der Fabel der Fuchs vor der Höhle des Löwen: „Er sehe 
wohl Fußtapfen derer, die glücklich in Italien hineingekommen, aber 
nicht derer, die wohlbehalten wiedergekehrt." Da die deutschen Fürsten 
sehr übermütig waren, so mußte Rudolf zunächst durch eigene Kraft, 
ohne ihre Hilfe, sich Ansehen zu verschaffen suchen. Er überzog den 
mächtigsten deutschen Reichsfürsten, Ottokar von Böhmen, mit 
Krieg. Dieser weigerte sich nämlich, Rudolf als Kaiser anzuerkennen 
und beharrte, so sehr man ihn auch warnte, tn seinem Trotze. Vom 
Elsaß ging nun der Kaiser mit einem kleinen Heere den Rhein hin¬ 
unter. Unterwegs fragte ihn ein Ritter: „Herr, wer soll denn jetzt 
euern Schatz bewahren?" Rudolf antwortete: „Ich habe keinen Schatz 
und kein Geld, als diese fünf Schillinge, aber der Herr, der immer 
geholfen hat, wird auch jetzt für mich sorgen." Wirklich half ihm auch 
der Herr. Denn Rudolf wurde vom König von Ungarn, vom 
Herzog von Bayern und andern Fürsten unterstützt, und so zog 
er durch Bayern nach Österreich. Als Ottokar die Übermacht seines 
Gegners sah, wünschte er einen Vergleich, der ihm auch bewilligt 
wurde. Er mußte Österreich, Steiermark, Kärnten und andere Lades¬ 
telle an den Kaiser abtreten. Allein bald schmerzte ihn der Verlust, 
und er versuchte den Kamps noch einmal. Rudolf focht bei Wien 
auf dem Marchfelde so tapfer, daß Ottokar die Schlacht und sein 
Leben verlor. Nun brachte der Kaiser die großen Länder des gefallenen 
Königs an sein Haus. Es waren indes noch manche andere Fürsten 
widerspenstig, besonders der wilde und kriegslustige Graf Eberhard 
von Württemberg. Sie wurden alle zur Ruhe gebracht. Den 
Mensch, Weltgeschichte i. 7
	        
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