Martin Luther.
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geschehe, wenn jemand gezwungen sein Leben im Kloster ver¬
bringe, strebte sie, sich aus ihren Banden zu befreien und bat zu¬
nächst ihre Verwandten, ihr dabei behilflich zu sein. Aber ihre
Bitte wurde nicht erhört. Da nahm sich ihrer der Ratsherr Leonhard
Koppe aus Torgau an und war ihr und acht anderen Nonnen zur
Flucht behilflich. Darauf schrieb ihm Luther, er habe recht gehandelt.
Die Nonnen kamen zuerst nach Wittenberg, wo Luther Beiträge für
ihren Unterhalt sammelte. Katharina blieb im Hause des Bürgermeisters
Reichenbach so lange, bis sie Luthers Ehefrau wurde. In aller Stille
feierten sie die Hochzeit, nur in Anwesenheit einiger wenigen Trau¬
zeugen. Der Pfarrer Bugenhagen vollzog die Trauung. Vierzehn
Tage später richtete Luther ein kleines Hochzeitsmahl aus, zu dem er
auch auswärtige Freunde einlud. Vor allem freute es ihn, daß er
seine lieben Eltern dabei haben konnte. Diese kamen jetzt öfters nach
Wittenberg zu Besuch und freuten sich des steigenden Ansehens ihres
Sohns. Sie bewegten sich schlicht und würdig unter seinen Freunden.
Von diesen nannte der Hofprediger Spalatin die Mutter eine seltene,
musterhafte und gottesfürchtige Frau. Vom Vater hebt ein anderer
Freund des Reformators, der gelehrte Melanchthon, hervor, daß er
durch Reinheit des Charakters und Wandels sich überall Liebe und
Achtung gewonnen habe. Der Maler Lukas Cranach hat die Bilder
der beiden gemalt, die sich jetzt in der Lutherstube aus der Wartburg
befinden.
An Katharina von Bora hatte Luther eine treue Gefährtin
für sein ganzes Leben bekommen. Sie sorgte für Mann und Kinder
als kluge und sparsame Hausfrau, und das war sehr gut, denn
Luther hätte, in feiner Freigebigkeit für Arme und Hilfsbedürftige,
am liebsten alles verschenkt. Sein Grundsatz war: ein Geistlicher
dürfe nicht an die Erwerbung irdischer Güter denken. Diese sind
ihm denn auch nie in Fülle zuteil geworden. Ja, als Luther ein¬
mal auf den Tod krank lag, konnte er feine Frau auf keine andere
Hinterlassenschaft verweisen, als auf die silbernen Becher, die er bei der
Hochzeit zum Geschenk erhalten hatte, und es kam vor, daß er sie
verpfänden mußte, um für die augenblicklichen Bedürfnisse Geld zu
schaffen.
Im Kreise der Seinen waltete Luther als echter christlicher und
deutscher Hausvater. Sein Verhältnis zu den Kindern war ein
überaus herzliches, er hatte Verständnis für alle ihre kleinen Leiden
und Freuden. Aus feiner eigenen Jugend wußte er, daß allzu große
Härte die kindlichen Gemüter leicht verängstigen und verschüchtern
könne. „Bei der Rute muß stets der Apfel liegen!", war fein Grund-
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