2 I. Sagen aus der Welt der Griechen und Römer.
bis dahin von keinem Jäger hatte getötet werden können, getraute sich
kein Mensch mehr in den Wald zu gehen. Da kam Herkules. Er
griff das Raubtier mit seinen Fäusten an, drückte es nieder und er¬
schlug es mit seiner Keule. Das schöne feste Fell zog er dem Tier
ab und hing es sich um. Die Löwenhaut war von nun an des
Herkules liebstes Kleidungsstück, und er trug es bereits bei seiner
zweiten Arbeit. Diese bestand darin, daß er ein schlangenartiges
Ungeheuer töten sollte, welches sich in den Sümpfen von Lernä
aufhielt und Menschen wie Tieren Verderben schuf. Es war sehr
schwer, dieser lernäischen Schlange beizukommen. Sie hatte an hundert
Kopse, und wenn man einen derselben abschlug, wuchsen an seiner
Stelle sogleich zwei neue. In dein Kampf gegen diese Schlange, auch
Hydra genannt, half dem Herkules sein Neffe Jo laus. Dieser
zündete einen Wald an, und während Herkules mit einem sichel¬
förmigen Schwert auf die Hydra losschlug, reichte er ihm Feuerbrände,
mit welchen er jeden Hals zubrannte, von welchem er den Kopf
heruntergehauen hatte. So konnte kein neuer wachsen. Der mittelste
Kopf aber war unsterblich. Deshalb vergrub ihn Herkules in die Erde
und wälzte einen schweren Stein darauf. Seine Pfeile aber tauchte
er in die Galle der Schlange, wodurch sie vergiftet und unfehlbar
tödlich wurden.
Nicht so gefährlich, aber furchtbar ermüdend, war die dritte
Arbeit. Herkules sollte die schnelle Hirschkuh der Göttin Diana
fangen. Die Kuh hatte goldene Hörner und Füße aus Erz. Ein
ganzes Jahr brachte Herkules mit Dieser Jagd zu. Er lähmte das
Tier schließlich durch einen Pfeilschuß und fing es lebendig. Bald
darauf mußte er einen wilden Eber jagen, welcher am Berge
Erymanthus hauste und die umliegenden Landschaften ver¬
wüstete. Lebendig lud er ihn auf seine Schultern und trug ihn zu
seinem hartherzigen Verwandten Eurystheus. Beim Anblick des
mächtigen erymanthischen Ebers erschrak der feige Mann dermaßen,
daß er sich in ein Faß verkroch. Große Klugheit verlangte die Aus¬
führung der fünften Arbeit. Eurystheus schickte den Herkules nach
Elis, zu dem Könige Augias. Dort sollte er an einem einzigen Tage
die Ställe reinigen, in denen lange Zeit dreitausend Rinder gestanden
hatten. Herkules fiel es gar nicht ein, den Mist selbst fortzuschaffen: er
leitete einen Arm des vorüberfließenden Stromes in die Ställe, und
die Fluten spülten den Unrat fort.
Großes Verdienst um die Menschen erwarb Herkules sich
mit seiner sechsten Arbeit. In den finstern Wäldern am See
Stymphalis hielten sich Raubvögel aus, die in der Umgegend