Full text: Von der Völkerwanderung bis zum Ausgange des Mittelalters (Teil 3)

Eidgenossenschaften (Städte- und Ritterbündnisse). 87 
den Reichstagen zu Nürnberg und Metz gegebenen Reichsgrund¬ 
gesetz die „goldene Bulle". Das umfangreiche Aktenstück (43 Perga¬ 
mentquartblätter) führte den Namen von der Kapsel aus Goldblech, 
die das große Majestätssiegel umschließt. In diesem Gesetz wurden 
feste Bestimmungen für die Königswahl getroffen, die Rechte und 
Pflichten der Kurfürsten festgesetzt und Verfügungen wegen des Land¬ 
friedens gegeben. Von den Ansprüchen des Kaisers auf Italien war 
in dieser Urkunde nicht mehr die Rede, aber auch nicht von der 
Kaiserwahl durch den Papst. Vielmehr wurde jetzt angenommen, daß 
der deutsche König durch seine Wahl zugleich auch den Titel „römischer 
Kaiser" erhalte. Die Stellung der Kurfürsten, der sieben Säulen des 
Reichs, wurde sehr erhöht. So erhielten sie das wichtige Recht, daß 
ihre Untertanen und Stände sich von ihren Gerichten nicht auf die 
kaiserlichen berufen durften, es sei denn, daß ihnen die Rechtshilfe 
verweigert würde. Dadurch bekamen die Kurfürsten eine abgeschlossene 
Territorialgerichtsbarkeit, wurden an Rang fast dem Kaiser gleich¬ 
gestellt und konnten ohne besondere kaiserliche Erlaubnis von andern 
Fürsten und Ständen Länder erwerben. Auf diese Weise bahnte die 
„goldene Bulle" schon die Zerstückelung des Deutschen Reichs in ver¬ 
schiedene Einzelstaaten an. Die kaiserliche Oberhoheit war mit keiner 
großen Machtbefugnis mehr verbunden, denn in ihren Ländern ge¬ 
hörten den Kurfürsten auch die kaiserlichen Regalien (Bergwerke, Münze, 
Zölle, Judenschutz). Unter Karl IV. kam es auf, daß Titel ohne 
entsprechende Landesgebiete vergeben wurden (Briefadel). Durch die 
„goldene Bulle" gewann hauptsächlich die hohe Aristokratie. Die 
kleineren Stände dagegen wurden zugunsten des Adels benachteiligt. 
Jeder Fehde sollte eine dreitägige Ankündigung vorhergehen, was schon 
Rudolf von Habsburg bestimmt hatte. Die Städte und einzelne 
Personen aber durften keine Verbindung unter sich schließen ohne 
Genehmigung ihrer Landsherren. Gegen deren Willkür verloren sie 
nun ein wichtiges Schutzmittel. Auch wurde ihnen in der „goldenen 
Bulle" untersagt, Pfahlbürger aufzunehmen; so nannte man Land¬ 
leute, die sich an der ursprünglich mit Pfählen befestigten Umwallung 
einer Stadt als Vorstädter angesiedelt hatten. Je mehr indessen die 
Kaiser das Bündnerwesen bedrohten, desto kräftiger entwickelte es sich. 
Eidgenossenschaften (Städte- und Ritterbündnisse). Die Reichs¬ 
verfassung hatte überhaupt durch jenes Gesetz eine entschiedene Wendung 
zugunsten der Fürsten genommen und zuungunsten des zerstreuten 
unmittelbaren Reichslandes, der Städte und freien Herren. Dazu 
kam, daß die Fürsten ihre Macht noch durch Erbverbrüderungen 
mit andern ihres Ranges zu verstärken und sicher zu stellen suchten;
	        
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