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der ein Anliegen an ihn hatte, mußte vorgelassen werden, denn er sagte: „Die
armen Leute wissen, daß ich Landesvater bin, und oft haben sie gewiß Ursache
genug, sich zu beschweren." Diese Reisen waren bei den damaligen schlechten
Landstraßen sehr beschwerlich, allein Friedrich verlangte keine Bequemlichkeit;
das einfachste Nachtquartier war ihm das liebste. Sehr ärgerlich war er,
wenn er mit Lob- und Schmeichelreden begrüßt wurde. Natürlich war auf
den Reisen der Zudrang des Volkes sehr groß; alle wollten den ruhmgekrönten
Fürsten, den geliebten Landesvater sehen.
Als einst auf einer solchen Reise die Pferde gewechselt wurden, drängte sich eine
alte Frau dicht an des Königs Wagen. „Mütterchen, was wollt ihr?" fragte der König.
„Nur das Angesicht meines Königs sehen, weiter nichts!" sagte sie treuherzig. Da reichte
ihr der König einige Goldstücke und sprach: „Seht, liebe Frau, auf diesen Dingern stehe
ich viel besser; da könnt ihr mich ansehen, so oft ihr wollt!"
c. Einfachheit und Sparsamkeit. Friedrich war von Gestalt nur mittel¬
groß, im Alter etwas gekrümmt; sonst war seine Haltung edel, sein Gang
rasch und stolz, sein Körper abgehärtet, der Blick seiner großen, blauen Augen
scharf und durchdringend. Selten trug sich ein König so einfach wie Friedrich.
Sein blauer Soldatenrock war meist abgetragen, die hohen Stiefel abgenutzt,
nicht selten zerrissen. Er trug sie den ganzen Tag; erst kurz vor dem Schlafen¬
gehen legte er sie ab. Dabei trug er stets einen dreieckigen Hut auf dem
Kopfe, auch im Zimmer. Wie in der Kleidung, so war er auch in der Hof¬
haltung äußerst sparsam, hielt keinen großen Hofstaat, gab keine .glänzenden
Feste und verwendete die ersparten Millionen zum Wohle des Landes. „Da
Preußen arm ist, so muß sein König sparsam sein!" sagte er. Nur in seinen
Wohlthaten war er freigebig. An jedem Morgen mußte ihm sein Diener einige
Rollen mit Dukaten in die Westentasche stecken, die er dann im Laufe des
Tages an Arme und Bedürftige verschenkte, und selten fand sich am Abend
noch etwas darin. Sein Liebliugsausenlhalt war Schloß Sanssouci bei Pots¬
dam, das er sich kurz nach dem zweiten schlesischen Kriege hatte erbauen lassen.
d. Güte gegen die Diener. Von größter Leutseligkeit und Güte war
Friedrich gegen seine Diener, die er reichlich beschenkte. Auch seinen verdienst¬
vollen Generalen hielt er viel zu gute. Dem General Seydlitz sagte er
einst bei einer Truppenschau: „Mein lieber Seydlitz, ich dächte, Sein Regiment
ritte viel länger als die übrige Kavallerie." Seidlitz erwiderte: „Majestät,
mein Regiment reitet heute noch so wie bei Roßbach!" Seitdem vermied
der König jede Bemerkung, die den General hätte kränken können. —
Besondere Rücksicht erwies der König dem alten Zieten. Dieser war einst
an der königlichen Tafel eingeschlafen. Als ihn einer der Gäste wecken wollte,
verhinderte es der König, indem er sprach: „Laßt ihn schlafen, er hat oft
genug für uns gewacht."
e. Alter nn- Lebensende. Friedrichs äußeres Leben wurde immer freud¬
loser. Seine guten Freunde, auch seine besten Heerführer und Generale starben
vor ihm. Wenige Monate vor feinem Tode, anfangs 1786, starb auch Zieten
in hohem Alter. Von seiner Gemahlin lebte Friedrich getrennt, Kinder besaß
er nicht, unb so wurde es immer einsamer um ihn.
So oft er von Sanssouci nach Potsdam oder Berlin geritten kam, war es stets
ein festliches Ereignis für das Volk. Dann traten die Bürger ans den Thüren und
grüßten ehrerbietig; er erwiderte jeden Gruß, indem er den Hut abzog. Meist lief eine
Schar von Kinbern vor unb neben ihm her; sie riefen ihm ihr Lebehoch zn, warfen ihre
Mützen jubelnb empor, wischten ihm auch wohl ben Staub von ben Stiefeln unb trieben