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als Staatseigentum erklärt, die Klöster und Mönchsorden aufgehoben und voll¬
kommene Religionsfreiheit gewährt. Die Geistlichen sollten vom Volke gewählt,
nicht mehr vom Bischöfe eingesetzt werden. Alle bisherigen Standesunterschiede
wurden aufgehoben und die Gleichheit aller Bürger ausgesprochen, so daß
jeder, auch der Vornehmste, nur mit „Bürger" angeredet werden sollte. Die
großen Güter des Adels und der Kirche wurden verkauft. Dadurch erhielt
auch der Bürger- und Bauernstand Grundeigentum. Statt der bisherigen
Provinzen wurde das Land in 83 Bezirke oder Departements geteilt, die
nach Flüssen. Gebirgen u. s. w. benannt waren. Zur Tilgung der Schulden
wurde eine Menge Papiergeld in Umlauf gesetzt, das später ganz wertlos
war. Die Macht des Königs wurde sehr beschränkt; auf feine Befehle hörte
niemand mehr, denn auch die Soldaten verbanden sich mit dem Volke. Durch
solche plötzliche Neuerungen geriet der Staat in endlose Verwirrung. Heftige
Volksredner, meist verworfene Menschen, hetzten das Volk auf, erzählten ihm
begeistert von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und forderten dabei
zu Raub und Mord auf. Scharen von Bummleru füllten die Schenken und
Straßen. Überall bildeten sich Vereine, welche die Aufregung noch zu steigern
suchten. Unter ihnen ragen besonders die Jakobiner hervor, so genannt,
weil sie in einem alten Kloster des Apostels Jakobus ihre Versammlungen
hielten. Wer nicht die rote Jakobinermütze trug und nicht immer die Worte
„Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" im Munde führte, galt als verdächtig
und wurde verfolgt, fo daß schließlich auch mancher redliche Mann aus Furcht
vor dem Pöbel sich der Revolution anschloß.
4. Schicksal i)C0 ÜÖntg5. Als die Aufregung ihren Höhepuukt erreicht
hatte, zog im Oktober 1789 ein rasender Pöbelhaufe von 8000 Köpfen, meistens
verworfene Weiber, rohe Fisch- und Gemüsehändlerinnen, nach Versailles, er¬
stürmte in der Nacht einen Teil des königlichen Schlosses und zwang den
König, am andern Tage mit seiner Familie nach Paris zu reisen und daselbst
seinen Wohnsitz zu nehmen. Auch die Nationalversammlung verlegte ihre
Sitzungen nach Paris. Um weiteren Demütigungen zu entgehen, entschloß sich
der König zur Flucht. In einem großen Wagen entkam er (im Sommer 1791)
mit seiner Familie glücklich aus Paris, wurde jedoch von einem Postmeister
erkannt, nach Paris zurückgeführt und dort wie ein Gefangener bewacht. Eine
derartige Behandlung erregte die Entrüstung der europäischen Fürsten. Sie
beschlossen, den König zu befreien. Die Schuld au der Gefahr, in welche
Frankreich dadurch geriet, legten die Pariser dem Könige zur Last. Im Sommer
1792 erstürmten deshalb die rohen Pöbelhauseu das königliche Schloß, uud
die Nationalversammlung setzte den König ab. Wie ein Verbrecher wurde er
dann ins Gefängnis geworfen, während seine Anhänger eingekerkert oder zu
Tausenden niedergemacht wurden. Am 21. September 1792 wurde dann
Frankreich zur Republik erklärt. Damit begnügten sich jedoch die Pariser
nicht; sie beschuldigten vielmehr den König des Verrats am Vaterlaude uud
verurteilten ihn zum Tode. Im Januar 1793 wurde er durch das Fallbeil
hingerichtet. Als die Henker ihn gebunden, riß er sich los und rief mit
lauter Stimme: „Franzosen, ich sterbe unschuldig! Ich wünsche, daß mein
Blut das Glück der Franzosen befestigen möge." Dann legte er sein Haupt
auf den Richtblock und starb mit tiefem Bedauern über sein unglückliches, ver¬
blendetes Volk. Neun Monate später wurde auch seine Gemahlin, die schöne,