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sich griff, zeigte das Überhandnehmen der abergläubischen
Wissenschaften.
2. Die Anfänge der Keformalion.
a) Unmittelbare Veranlassung. In dieser Zeit allgemeiner
Gärung schrieb Papst Leo X. einen Ablaß aus, dessen Ertrag
teilweise zum Ausbau der Peterskirche in Rom bestimmt war.
Da sich im Volke die falsche Ansicht entwickelt hatte, als ob
der Kauf eines Ablaßzettels die Buße überflüssig mache, und der
mit der Verkündigung des Ablasses beauftragte Tetzel durch die
Art der Anpreisung vielfach Anstoß erregte, so nahm der
Augustinermönch und Professor der Universität Wittenberg
Dr. Martin Luther Veranlassung, das Volk vor der falschen
Auffassung des Ablasses zu warnen.
b) Luthers Lebensgang. Martin Luther, geb. den 10. November
1483 als Sohn eines Bergmannes, besuchte die Franziskaner-
schule zu Magdeburg und trieb zu Erfurt scholastische Studien.
Gegen den Willen des Vaters trat er in den Augustinerorden
ein, ohne in demselben trotz strenger Bnßübuugen und eifriger
Studien die erhoffte Seelenruhe zu finden. Er fand endlich
Trost in der Überzeugung, daß der Mensch nicht durch seine
Werke, sondern durch den Glauben an die Barmherzigkeit Gottes
selig werde. Für diese Lehre, mit der auch sein Widerspruch
gegen den Ablaß in Verbindung stand, gewann er die Univer¬
sität Wittenberg, wohin er ans Empfehlung seines Ordens¬
vikars Johann von Staupitz berufen worden war.
c) Luthers öffentliches Auftreten. Am 31. Oktober 1517 schlug
Luther 95 größtenteils auf den Ablaß bezügliche Thesen an der
Schloßkirche zu Wittenberg an, die sich schnell über Deutschland
verbreiteten und einen lebhaften litterarischen Streit zur Folge
hatten. Da sich Luthers Anhänger mehrten, wurde er nach
Rom zur Verantwortung geladen, erlangte jedoch auf Veran¬
lassung des Kurfürsten von Sachsen ein Verhör durch den
Legaten Kajetan in Augsburg. Nach vergeblicher Unterredung
entwich Luther aus Augsburg und ließ die Schrift zurück:
„Von dem übel unterrichteten Papst an den besser zu unter¬
richtenden." Ein anderer päpstlicher Gesandter, Karl von Mtltitz,
gewann Luther das Versprechen ab, zu schweigen, wenn auch