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gleich stärkere Heer der Russen an der Küste von Livland und schlug
es zurück. Anstatt aber diesen Sieg weiter zu verfolgen, wollte er
vorher den schwächeren Polenkönig entthronen. Er besiegte die Polen
in zwei Schlachten an der Düna und ein polnisch-sächsisches Heer bei
Fraustadt. Hieraus suchte er August II. in seinem Erdreiche Sachsen
aus und zwang ihn zum Frieden von Altranstädt, 1706. August ver¬
zichtete auf den polnischen Thron, den der Woiwode von Posen,
Stanislaus Lesziuski, bestieg.
II. Die Wendung.
1. Krieg gegen Rußland. Inzwischen hatte Peter die russischen
Eroberungen an der Ostseeküste erneuert und durch Gründung einer
neuen Hauptstadt, Petersburg, befestigt, sowie sein Heer im kleinen
Kriege eingeübt. Karl, der sich in der Aussicht, die Verbindung mit
den Kosaken zu erreichen, zu einem Zuge in das südliche Rußland
hatte verleiten lassen, geriet dort in furchtbare Not und wurde von dem
herbeieilenden Peter unter den Mauern von Poltawa 1709 entscheidend
geschlagen. Er flüchtete nach der Türkei.
2. Karl in der Türkei. Mit Erlaubnis des Sultans hatte sich Karl
in Bender niedergelassen, wo er seine militärischen Übungen in ge¬
wohnter Weise fortsetzte. Er reizte die Pforte zu einem Kriege gegen
Rußland, und der Zar mußte sich durch Abtretung Afows freien Ab¬
zug erkaufen. Des unruhigen Gastes endlich müde, ließ der Sultan
fein Lager stürmen; doch erst der ihm in Schweden drohende Verlust
der Regierungsgewalt veranlaßte ihn zu schleuniger Rückkehr in
sein Land.
3. Fortschritte der Verbündeten. Unterdessen hatten August II.
von Sachsen und Friedrich IV. von Dänemark den Frieden wieder
gebrochen und ihr Bündnis erneuert. Unter Vermittelung der See¬
mächte wurde aber im „Haager Konzert" die Neutralität des deutschen
Reiches festgestellt, und Preußen besetzte zur Sicherung der schwedisch¬
deutschen Länder Stettin. Peter eroberte die schwedischen Ostsee¬
provinzen.
4. Karls Rückkehr und Tod. Nach seiner Rückkehr verlangte Karl
die sofortige Herausgabe Stettins. Deshalb schloß sich Friedrich
Wilhelm I. von Preußen feinen Feinden an, und die Schweden wur¬
den gänzlich aus Deutschland vertrieben. Die letzten Kräfte der Nation
verwandte Karl, um den Dänen Norwegen zu entreißen. Aber in den
Laufgräben vor Friedrichshall traf ihn eine tödliche Kugel, 1718.
Trotz feiner hohen Befähigung als Feldherr und feiner persön¬
lichen Tapferkeit hat Karl XII. durch seinen Eigensinn und seine
Leidenschaftlichkeit Schweden von seiner Großmachtstellung herabgestürzt.
III. Friede. Der schwedische Reichsrat, der mit Karls Schwester Ulrike
Eleonora die Regierung führte, schloß nun den Frieden zu Stockholm, 1720.
1. Preußen gewann Stettin und Vorpommern zwischen Oder und Peene;