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anspruchnahme der Volkskräfte zur Rettung des Staates ward die Revolution
eingeleitet.
I. Die konstituierende Versammlung, 1789—1791.
1. Die Vereinigung der Stände. Am 5. Mai 1789 versammelten sich
zu Versailles die Reichsstände, in denen der dritte Stand (Bürgerstand) das
Übergewicht über die beiden anderen (Adel und Klerus) hatte. Als die Re¬
gierung nicht gestatten wollte, daß nach Köpsen abgestimmt würde, erklärte
sich der dritte Stand als „Nationalversammlung" und zog in ein benach¬
bartes Ballhaus, wo er den Schwur ablegte, nicht eher auseinander zu
treten, bis dem Lande eine Konstitution gegeben sei. Viele Geistliche und
einige Adlige traten nun der Versammlung bei, welcher auch der König end- -
lich seine Zustimmung gab.
2. Der Sturm auf die Bnstille, 14. Juli 1789. Die Zusammen¬
ziehung einer ungewöhnlichen Truppenmacht zwischen Versailles und Paris
weckte aber den Verdacht, daß die Regierung eine Gewaltthat gegen die
Nationalversammlung beabsichtige. Als nun auch der populäre Minister
Necker entlassen wurde, erregte das Volk, durch ausreizende Redner (Des-
moulins, Danton, Robespierre) beeinflußt, einen Aufstand, bewaffnete sich und
erstürmte die Bastille. Die Sicherheit der Bürgerschaft wurde nun einer
Nationalgarde unter Lafayettes Führung anvertraut. Diese Gewaltthaten er¬
schreckten die Umgebung des Königs und seine Ratgeber so, daß sie ins Aus¬
land flohen („Emigration").
3. Die Thätigkeit der Nationalversammlung.
a) In Versailles. Inzwischen hatten die Pariser Unruhen ihre Rück¬
wirkung auch aus die Landbewohner geäußert; allenthalben kehrte sich
die Volkswut gegen die Besitzungen der Adligen und der Kirche. Da¬
her trat die Nationalversammlung dem aus dem Adel selbst her vor¬
gegangenen Vorschlage bei, das Volk durch Gewährung seiner Forde¬
rungen zu beschwichtigen. In einer Sitzung wurde der alte Feudal-
staat zertrümmert und ein neues Staatswesen gleichberechtigter Bürger
hergestellt. (Abschaffung aller Dienstleistungen und Privilegien, Er¬
klärung der Bürger- und Menschenrechte.)
Hierauf begann die Versammlung mit der Ausarbeitung einer
neuen Verfassung: Frankreich wurde ein konstitutionelles Königreich,
die gesetzgebende Gewalt erhielt eine Kammer, dem Könige ward ein
aufschiebendes Veto zugestanden.
Die Bedenken des Königs gegen die Annahme dieser Artikel,
sowie die Wühlereien des Herzogs von Orleans waren die Veran¬
lassung, daß ein Haufen Weiber nach Versailles zog und den König
nebst seiner Familie zur Übersiedelung nach Paris zwang. Die
Nationalversammlung folgte dem Könige.
b) In Paris traten in der Nationalversammlung nun zwei Parteien
hervor, die Demokraten, welche ihren Platz zur Linken des Präsidenten
hatten und die gemäßigten Deputierten, welche auf der rechten Seite faßen.