Full text: Übersichtlicher Lehr- und Lerntext zum Unterricht in der Geschichte

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reich selbst war die Herrschaft Napoleons nicht ungefährdet. 
Die Opposition war von Jahr zu Jahr gewachsen und drängte 
den Kaiser zu einer freieren Politik im Innern. Er berief 
endlich das Ministerium Ollivier, welches das Volk mit dem 
Bonapartismns auszusöhnen suchte, indem es Ministerverant¬ 
wortlichkeit und die Teilung der gesetzgebenden Gewalt zwischen 
dem Kaiser, dem Senate und dem gesetzgebenden Körper ein¬ 
führte. Bei der Volksabstimmung über die Neuerungen (8. Mai 
1870) errang zwar die Regierung einen vollständigen Sieg; 
doch hatten die großen Städte und gegen 50000 Soldaten da¬ 
gegen gestimmt. Unter diesen Umständen bemächtigte sich des 
Kaisers der Gedanke, daß die Armee unzuverlässig werden müsse, 
wenn ihr nicht durch einen Krieg Beschäftigung gegeben werde, 
und er begann nun, aufgemuntert durch die Kriegspartei, zu wel¬ 
cher die Kaiserin Eugenie und der Kriegsminister Leboeus gehörten, 
der die französische Armee für überfertig erklärte, eine Reihe 
politischer Intriguen, die den Ausbruch des Krieges beschleunigten, 
c) Die spanische Kandidatur des Prinzen Karl von Hohen- 
zollern. Die nächste Veranlassung zum Konflikte mit Preußen 
fand Napoleon in der von den Spaniern beabsichtigten Erhebung 
des Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen auf den Königs¬ 
thron. Obgleich der Prinz mit den Napoleoniden näher ver¬ 
wandt war, als mit der preußischen Königsfamilie, war doch 
schon der Name des Hohenzollern geeignet, die öffentliche Meinung 
in Frankreich aufzuregen. Der Kaiser ließ in der ungestümen 
Kammer eine scharfe Erklärung vorlesen, wonach Frankreich nie 
dulden werde, daß eine fremde Macht das Gleichgewicht Europas 
und Frankreichs Interessen störe. Als hierauf der Prinz von 
der Kandidatur zurücktrat, verlangte der französische Gesandte 
im Aufträge feiner Regierung in einer im diplomatischen Ver¬ 
kehre nicht üblichen Weise von dem Könige Wilhelm, der sich 
in Ems befand, die Erklärung, daß er niemals seine Einwilli¬ 
gung geben werde, wenn die Bewerbung Leopolds Wiederaufleben 
sollte, und die Versicherung, daß er der französischen Nation 
nicht habe zu nahe treten wollen. Als König Wilhelm diese 
Forderung in würdiger Weise ablehnte, erfolgte am 19. Juli 
1870 die Kriegserklärung.
	        
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