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gezogen, überall da anfeuernd, wo eine Niederlage drohte. Vergeblich, 
die kleine Heeresmacht der Züricher unterlag. Zwingli war totlich ge¬ 
troffen unter einem Scanne niedergesunken. So fanden ihn die Feinde. 
„Willst Du die Mutter Gottes anrufen?" schrieen sie dem Sterbenden 
ins Ohr, ohne ihn zu kennen. Er schüttelt leise mit dem Kopfe und 
hauchte sein Leben mit den Worten aus: „Den Leib können sie töten, 
aber die Seele nicht!" 
Als die Feinde am andern Morgen feinen Leichnam erkannten, ließen 
sie ihn durch Henkers Hand vierteilen, dann verbrennen und die Asche 
in alle Winde streuen. Zu spat waren 1200 reformierte Bundes¬ 
genossen zu Hilfe geeilt, und König Ferdinand sandte feinem kaiserlichen 
Bruder die Jubelbotfchaft des Sieges der Katholiken. Die Reformation 
war jetzt in der Schweiz so gut wie vernichtet, und der Katholizismus 
fand neuen Raum. 
Neben unbedeutenderen Führern der Schweizer Reformation trat 
Johann Calvin (Jean Caulvin) als der bedeutendste Nachfolger 
Zwinglis auf. Zuerst in seiner französischen Heimat thätig, entwich 
Calvin den schweren Verfolgungen, welche Franz I. über die Evange¬ 
lischen Frankreichs brachte, und kam nach Ferrara, wo die hochherzige 
Schwägerin des französischen Königs ihren Hof zur Zufluchtsstätte aller 
Verfolgten der Reformation machte. Doch spürte die Inquisition auch 
hier Calvin auf. Er ging darum nach Genf, wo schon eine reformierte 
Gemeinde bestand. Aber er machte sich dort viele Feinde durch seine 
maßlos strenge Kirchenzucht, die er mit Hilfe der städtischen Verwaltung 
durchzuführen suchte. 
Wer einen Gottesdienst versäumte, mußte einen Sols Strafe zahlen. 
Wer nicht an der Abendmahlsfeier Teil nahm, wurde auf ein Jahr aus 
der Stadt verwiesen. Eine Frau, die ein weltliches Lied nach einer 
Psalmenmelodie gesungen hatte, mußte am Pranger stehen, und ein 
Mädchen, das seine Mutter geschlagen, wurde geköpft. 
Jedes Verbrechen, jede Sünde zog auch eine weltliche Strafe und 
eine Kirchenbuße nach sich. Spiel, Trunksucht, Ehebruch it. a. wurde 
dadurch öffentlich gebrandmarkt. So wurde die Genfer Kirche fast zu 
einer Zwangs- und Korrektionsanstalt. Thatsächlich hatte die strenge 
Kirchenzucht auf das sittliche Leben Genfs einen guten Einfluß. Aber 
eben so viele beklagenswerte Resultate maßloser Strenge und schlimmen 
Irrtums lagen darin, weil Calvin nichts von dem vermittelnden Wege 
christlicher Liebe und Duldung wissen wollte. Doch bot Gens viel
	        
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