— 189 —
das ganze Stadtregiment in Händen hatten. Der Bischof wurde ver¬
trieben, ein neues Reich Gottes sollte gegründet werden, in welchem
Münster, das „neue Zion", die Hauptstadt wäre. Johann ließ sich
als König dieses Reiches feierlich krönen, führte Vielweiberei und Güter¬
gemeinschaft ein und ließ alle hinrichten, die nicht seiner Lehre folgen
wollten. Seine Haupthelfer waren Knipperdolling und Krechting. Der
vertriebene Bischof rückte mit einem starken Heere heran und belagerte
die Stadt. Die Wiedertäufer leisteten hartnäckigen Widerstand. Schlie߬
lich zwang sie der Hunger, die Stadt zu übergeben. Die drei An¬
führer Johann von Leyden, Knipperdolling und Krechting wurden mit
glühenden Zangen zu Tode gepeinigt und dann in drei Käfigen an
dein Turm der Lambertikirche aufgehängt. (1536.) Die meisten Wieder¬
täufer kehrten in den Schoß der katholischen Kirche zurück.
Verlauf der Information in Deutschland.
1. Ausbreitung. Mit wahrer Herzensfreude bekannte sich der
größte Teil des deutschen Volkes zum Werke der Reformation. An
vielen Orten vollzog sich der Übertritt zu Luthers Lehre in friedlichster
Weife. Waren Pfarrer und Gemeinde sich einig, so wurde der Gottes¬
dienst in deutscher Sprache abgehalten und das heilige Abendmahl
unter beiderlei Gestalt ausgeteilt. Öfters kam es vor, daß in der
Kirche jemand ein protestantisches Lied anstimmte, andere fielen ein
und schließlich fang die ganze Gemeinde mit, so daß man sagte, die
Reformation habe sich in das Herz des Volkes hineingefungen. Die
Fürsten ließen meistens solches ruhig geschehen, oder traten sogar als
Förderer für die Sache des Evangeliums auf. Bald bekannten sich
Kurfachsen, Hessen, Brandenburg, Preußen, Pommern, Braunfchweig
und sehr viele Reichsstädte zur neuen Sehre; nur in Österreich und
Bayern hatten die Anhänger derselben harte Verfolgungen zu erleiden.
2. Folgen der Reformation. Mannigfaltig war der Einfluß der
Reformation auf das gesamte Volksleben. Die Klöster wurden auf¬
gehoben, den Priestern war die Ehe gestattet (Suther selbst hatte sich
1525 verheiratet); an Stelle der lateinischen Messe trat die deutsche
Siturgie beim Gottesdienst, die Anrufung und Verehrung der Heiligen
hörte auf, bei der Feier des heiligen Abendmahls wurde auch den
Laien der Kelch gereicht, die Gemeinde beteiligte sich am Gottesdienst
durch den Gesang geistlicher Sieder; die Bibel, als alleinige Richtschnur
des Glaubens, wurde jedermann in seiner Muttersprache zugänglich ge¬
macht. Auf Luthers Drängen wurden viele Schulen eingerichtet und
für eine bessere Unterweisung der Jugend gesorgt, so daß er als der
geistige Vater der deutschen Volksschule anzusehen ist, in der Jahr¬
hunderte hindurch Bibel, Gesangbuch und sein kleiner Katechismus die
Hauptlehrbücher blieben. Seine Bibelübersetzung und auch seine an¬
dern Bücher hatte er in der Sprache der sächsischen Hoftanzlei abge-