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Eins aber thut uns gar Noth, was alles Strebens Ziel und Preis zugleich
ist: der feste Charakter der Ehre und der Gerechtigkeit. Denn wir sind aufgewachsen
in einer charakterlosen Zeit, in der giftigen Pest der Fremden, ... mit nieder¬
gedrückt unter das faule Joch der Verzweiflung . . . Lebt aber der wahre Geist in
uns, so ist auch die Zeit des Charakters schon für uns da.
Es geht sein Wort der Ehre an jeden Einzelnen; sein Wort der Gerechtigkeit
an den Gemeingeist unsers Burschenlebens. Wie dieser Geist nur der eine ist,
so laßt uns auch nur einen Bund stiften, in dem er regiere. Die Natur hat
uns alle verschieden geboren; der Geist aber hat uns zu Brüdern gemacht . . .
Deutsche Männer, lieben Brüder, blickt um euch, wie steht’s mit uns?
Kaum aufgedonnert zum Licht der Sonne, gähnt die Nacht des Grabes wieder
auf; doch uns soll sie nicht verschlingen. Aber es ist hohe Zeit, daß die Jünglinge
gedenken der Hermannszeit und der letzten Heldentage, und sich aufraffen mit Be¬
geisterung. Denn wenn Gott sie so beseelt, kann das Volk sich erfrischen und
verjüngen.
Auf! die Schranken sind offen, überall winken die Kränze, auf daß unsere
Körper reifen für die kommende Zeit und in Uebung und Spiel eine keusche, frohe
und lebendige Sitte wachse . . . Dank dafür fei gesagt am Tage der Erneuung
dem wackern Jahn und seinen begeisterten Freunden, die der ganzen deutschen
Jugend diese stolzen Bahnen geöffnet haben, damit das Selbstvertrauen wachse, der
Leiber wie der Geister . . .
Das alles aber soll es sein, was die Jünglinge aller deutschen Hochschulen
begeisternd verbinde und so die Bürgschaft werde der größesten Zeit der Menschen¬
geschichte . . .
Und darum haben wir sie angetreten, diese Wallfahrt der Weihe nach der
Stätte, von wo ans der Geist siegte über das Deutsche Volksleben im Sieg der
Wahrheit. —
Kraft und Schönheit des Geistes wie des Leibes, Mäßigkeit und frommes
begeistertes Streben seien das Lob unsers Gemeinsinnes und das kräftige Selbst¬
vertrauen, damit die Schwachen, Verdorbenen und Eiteln nicht herrschen über uns. . .
So wollen denn wir thun, was bei uns steht. Du aber wirst es gut ver¬
walten , du über den Gestirnen, auf daß, wenn nach hundert Jahren abermals die
Flammen lohen von den Bergen und frohe Lieder aufwärts dringen, dann an dieser
Stelle bessere und mehr erleuchtete stehen, dich zu segnen und auch uns zu rühmen
als ihre wackern Vorläufer ..."
Nachdem noch einige Burschenlieder gesungen, und wie bei dem Herausgehen
aus dem Gotteshause, so auch hier der Armen gedacht . . . worden, war die Reihe
der vorher beschlossenen Feierlichkeiten beendigt. Die Burfchenverfammlung zerstreute
sich an die auf dem Wartenberge vertheilten Feuer . . .
... ganz ohne Vorwiffen oder Mitwifsen des Ausschusses
der sämmtlichen Hochschulen (folgte) der ernsten und heiligen Feier des
Tages die lustige Person mit sarkastischem Muthwillen auf dem Fuße nach und
(ließ), die ausgesprochene Idee der Versammlung, jedem am Vaterlande verübten
Unrecht und Unbill entgegenzutreten, sinnbildlich verwirklichend, ein strafendes Auto
da fe über Bücher und andere Gegenstände ergehen, die nach ihrer Meinung der
allgemeinen Stimmung des deutschen Volkes nicht zusagte.
Mit einem großen Korbe voll von Büchern am Arme, in der Hand eine
Heugabel, und mit großen schwarzen Zetteln, auf welchen mit f erscheinenden Buch¬
staben die Namen der Verdammten geschrieben standen, erschienen einige Burschen
an dem am meisten lodernden Holzstoß. Die neue und unerwartete Erscheinung