einig wurden mit dem Bedinge, daß wir die Stube räumen müßten, wenn die, so
sie ordentlich bezögen, ankämen. Wir hatten eine kleine Stube mit Fenstervorhängen
und eine kleine Kammer mit einem Bett, dabei gute Aufwartung. Das Haus
war ziemlich groß; nach der Straße zu an beiden Seiten der Tür hielten sich in
den Gewölben fremde Kaufleute mit ihren Waren auf. Hinter dem Hause war
ein langer Hof, an dessen Seite zwölf Gewölbe mit darüber gebauten Stuben
waren, drei Stockwerk hoch. Hinten war quer über den Hof ein großes Hinter¬
gebäude. Das Haus gehörte einem Advokaten, der jährlich 1800 Taler Heuer
dafür bekam. Es wurde uns hier von einem Hause erzählt, das jährlich 12 000 Taler
Miete trägt. Es ist mir entfallen, aber es wird vermutlich der Auerbachsche Hof sein.
Ich hätte gern des polnischen Königs 3) Ankunft in Leipzig erwartet, allein
es war mir nicht möglich. Wir reisten am Freitag, den 2. Oktober 1739, mittags
12 Uhr in einer ordentlichen Mietkutsche ab und mußten ä Person 1 Taler 18 Groschen
bezahlen."
(„Tagebuch des Predigers Johann Christian Müller", teilweise veröffentlicht im Leipz. Tagebl. 1908,
Nr. 2 ff.)
b) [1743.] „Ich habe noch nichts erwähnt von den Abwechselungen, die man
zur Meßzeit hat. Es ist dieses eine Zeit, da die Collegia ausgesetzet werden und man
nicht imstande ist, etwas Ernsthaftes vorzunehmen. Was ich schon einmal davon
erzählt, werde ich unerwähnt lassen und nur noch etwas Weniges hinzusetzen.
Alle Gassen und Gewölbe waren voll von Käufern und Verkäufern, und voll von
Fremden, die in ihren Geschäften oder zur Ergötzung und aus Neugierde da waren.
Es war das gute Leipzig in dieser Zeit einem Bienenkörbe ähnlich, wo nicht nur
alles in seiner Beschäftigung emsig, sondern auch ein solches anhaltendes Geräusch
war, das man sehr wohl mit dem Gesumse der Bienen vergleichen konnte4). Aus
meinem Fenster sah ich eine außerordentliche Menge Schlächter vor mir aus meiner
Seite, auf der andern war das Fahren und Gehen von Leuten; auch konnte ich
zur Linken hinunter nach dem Zuchthause die Heuwagen sehen, wo ein jeder Wagen
mit Heu vorgefahren, mit einer langen Kette umspannt, alsdann oben an einen
herausgehenden Balken gehängt und gewogen wurde.
Gerade mir gegenüber auf dem Eselsmarkt hatten die Trödelweiber ihre
Buden zu allen Zeiten, aber besonders war ihr Handel in der Messe und bestand
in allerlei alten Kleidungen. Auch diese lebten nach der Leipziger Art galant, des
Morgens und Nachmittags wurde ihnen auf einer messingnen Teeplatte der Kaffee
in einem ganz messingnen glänzenden Aufsatz zugetragen.
In den Häusern und auf den Gaffen sah man alles nun noch mehr als sonst
geputzt, auch konnte man des Frauenzimmers wohl in den Fenstern ansichtig werden,
welches sonst etwas Seltenes. Im Gehen kam es der Bequemlichkeit sehr zu statten,
da hier das Hutabnehmen keine Mode war, weil es sonst etwas Unerträgliches
würde gewesen sein. Deshalb war aber doch alles höflich und bescheiden 5) bis auf
3) August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen (1733—63).
4) Die Leipziger Messe hatte seit dem Westfälischen Frieden und besonders unter August
dem Starken außerordentlich an Bedeutung gewonnen. Italienische Touristen, wie der Abbate
Pacichelli und der Tottore Gemelli Careri, berichten mit Verwunderung von der ungemeinen
Menge fremder Kaufleute und reicher Waren, die sie hier getroffen. Was der Karneval in Venedig
für die Fürsten und Generale von den Campagnen in Ungarn war, das wurde die Leipziger
Messe für Deutschland, namentlich für die Fürsten und den Adel des nördlichen Deutschlands:
ein Rendezvousplatz für die vornehme und galante Welt. Vgl. auch Böttiger, „Geschichte von
Sachsen", Band I, S. 552, und F. G. Leonhardi, „Geschichte von Leipzig".
s) Auch Johann Georg Keyßler in seiner „Fortsetzung Neuester Reisen" (Hannover 1741)
hebt die „Höflichkeit der Einwohner" Leipzigs rühmend hervor.