Full text: Lesebuch für die Mittelstufe ostfriesischer Volksschulen

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Aber das Herrsein hatte manche unter ihnen verdorben, so daß sie 
auch weiterhin Herr bleiben wollten. Durch List und allerlei An— 
schläge wußten sie es dahin zu bringen, daß sie im Besitze der Gewalt 
blieben und sich zu Häuptlingen (ngvetlingen) in der Gemeinde auf— 
warfen. Die Burgen wurden stärker befestigt; man hielt sich Rosse 
und Reisige und eine große Schar Knechte, die im Gebrauch der Waffen 
geübt waren, und so gelang es den Häuptlingen, ihre Herrschaft zu befestigen. 
Die Bewohner wurden gezwungen, ihnen beim Bauen stets behülflich zu 
sein, von ihrer Ernte einen Teil abzugeben und im Kampfe zu 
folgen. Schrecken und Gewalt schüchterte die Bürger und Bauern ein; 
denn grausam ging man mit ihnen um, wenn sie den Willen ihres 
Häuptlings nicht erfülltenn Tief unten in den Burgen befanden sich 
finstere Keller, in welche erbarmungslos die Unzufriedenen hinein— 
geworfen wurden. Sonne und Mond beschienen sie nicht darin, dazu 
mußten sie hungern und dursten und von den rohen Kriegsknechten die 
unmenschlichsten Grausamkeiten erdulden, sodaß sie bald dahinstarben. 
Unter den Häuptlingen herrschte die gleiche Gesinnung gegen das Volk, 
und bei ihren Zusammenkünften wurden in den Burgen große Gelage 
gefeiert, während unter ihnen die Gefangenen in ihren Ketten jammerten. 
Bei solchen Gelagen entstanden in der Trunkenheit öfter Streitigkeiten 
zwischen den Häuptlingen, die die Ursache zur gegenseitigen Befehdung 
wurden. Der eine Häuptling überfiel den andern, der Sieger 
zerstörte dann die Burg des Besiegten und machte sich zum Herrn der 
ihrer Burg beraubten Gemeinde. So wurde im Laufe der Zeit die 
Anzahl der Häuptlinge geringer, sodaß zuletzt nur noch einige im Lande 
waren, die aber über einen großen Besitz geboten, und die mit allen 
Mitteln darnach trachteten, die Gewalt der andern zu brechen und sich 
über diese zu erheben. Das führte dahin, daß wilde Kriege das Land 
verwüsteten und es an den Rand des Abgrundes brachten, besonders 
wenn auch noch wilde Wasserfluten die Felder zerstörten. Eher konnte 
es nicht besser werden, bis alle Gewalt in einer Hand sich befand, die 
dem ganzen Lande gebot; aber bis es dazu kam, mußten noch Tausende 
von unsern Voreltern ihr Leben lassen in den stetigen Kämpfen um 
die Oberherrschaft im Lande. 
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209. Aus der Sagengeschichte von Störtebeker. 
Störtebeker und Güdje Micheel 
de beiden roofden like Deel 
to Water un nich to Lanne, 
bet dat et Gott in'n Hemel verdroot, 
do worden se beid' to Schanne.
	        
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