fullscreen: Lesebuch für die mittlere Stufe (Abteilung 1, [Schülerband])

116 24. Friedrich und sein Page. 25. Leutseligkeit Friedrichs des Großen. 
24. Friedrich und sein Page.*) 
Friedrichs Dienerschaft bestand nur aus wenigen Personen, da er 
einfach lebte. Eines Abends, als der König nicht einschlafen konnte, 
klingelte er dem Pagen im Nebenzimmer. Da niemand erschien, so 
klingelte er noch einmal. Umsonst. Endlich stand Friedrich selbst auf, 
öffnete das Vorzimmer und fand seinen Pagen auf einem Stuhle einge¬ 
schlafen. Er ging auf ihn zu und wollte ihn aufwecken; doch bemerkte 
er in diesem Augenblicke in der Rocktasche desselben ein beschriebenes 
Papier. Verwundert und neugierig zog er es hervor und las. 
Es war ein Brief von der Mutter des Pagen, welcher ungefähr 
folgendes enthielt: sie danke ihrem Sohne für die Unterstützung, die 
er übersandt und sich von seinem Gehalte erspart habe. Gott werde 
ihn dafür belohnen, und er solle diesem stets treu wie seinem König 
ergeben sein; dann werde er Segen, haben, und sein irdisches Glück 
werde ihm nicht fehlen. — Der König ging leise in sein Zimmer zurück, 
holte eine Rolle mit Dukaten und steckte sie mit dem Briefe wieder in 
die Tasche des ruhig fortschlummernden Edelknaben. Bald darauf 
klingelte er so stark, daß der Page erwachte. „Du hast wohl ge¬ 
schlafen?“ fragte der König. Der Page stammelte eine halbe Ent¬ 
schuldigung und eine halbe Bejahung her, fuhr in der Verwirrung mit 
der einen Hand in die Tasche und ergriff betroffen die Rolle Dukaten. 
Er zog sie hervor, ward blaß und sah den König mit Thränen in den 
Augen an, ohne ein Wort reden zu können. „Was ist dir?“ fragte der 
König. „Ach! Ew. Majestät,“ erwiderte der Page, indem er vor ihm 
auf die Knie fiel, „man will mich unglücklich machen; ich weiß von 
diesem Gelde nichts!“ — „Ei,“ sagte der König, „wem es Gott giebt, 
dem giebt er’s im Schlafe. Schick’s nur deiner Mutter, grüße sie und 
versichere ihr, daß ich für dich und sie sorgen werde.“ 
25. Leutseligkeit Friedrichs des Großen. 
Friedrich der Große wußte durch Freundlichkeit die Herzen 
aller, die ihn sahen, zu gewinnen. Als er einst von Schlesien nach 
Berlin reiste, drängte sich eine alte Frau dicht an den Wagen des 
Königs heran. „Was wollt Ihr?" fragte der König sehr gnädig. 
„Nur das Angesicht meines Königs sehen und nichts weiter," ant¬ 
wortete die Alte. Der König nahm einige Friedrichsdor aus der 
Tasche, gab sie ihr und sagte: „Seht, liebe Frau, auf diesen Dingern 
stehe ich viel besser; da könnt Ihr mich ansehen, so lange Ihr wollt; 
jetzt aber hab' ich nicht Zeit, mich länger ansehen zu lassen." 
Auch freimütige Antworten liebte der König und nahm ein 
dreistes Wort nicht übel, wenn es nur wahr und treffend war. So 
fragte er einst bei einer Musterung einen Soldaten, der bei Kollin 
mehrere Hiebe über das Gesicht erhalten hatte: „In welcher Schänke 
*) Sprich Pahsche.
	        
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