571
1. Gottfried August Würger.
Er wurde 1747 zu Molmerswende bei
Halberstadt geboren, wo sein Vater als Prediger
wirkte. Das auch von ihm erwählte Studium
der Theologie vertauschte er nach kurzer Zeit
mit dem Studium der Rechte; aber bei seinem
fortgesetzt zügellosen Leben konnte er sich keine
sichere Stellung erwerben. Krankheit und andere
mißliche Lebensverhältnisse (— Bürger war dreimal
verheiratet, die ersten beiden Frauen verlor er durch
den Tod, die letzte Ehe mußte richterlich getrennt
werden —) ließen sein dichterisches Talent nicht
zur vollen Entfaltung kommen. Immerhin nehmen
seine Balladen, unter denen sich „Lenore",
„Der wilde Jäger", „Das Lied vom braven
Mann", „Der Kaiser und der Abt" besonders
auszeichnen, in der deutschen Dichtung eine
wichtige Stelle ein. In mehreren kleineren Liedern
(„Mit Hörnerschall und Lustgesang —", „Ich rühme mir mein Dörfchen hier — ")
hat er den volkstümlichen Ton gut getroffen.
Bürger starb 1794.
1. Der wilde Jäger.
1. Der Wild- und,Rheingraffftieß ins Horn: 5. „Willkommen hier, zu rechter Frist,
„Halloh^halloh zu Fuß und Zioß!"^ Willkommen zu der edeln Jagd!
Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn; Auf Erden und im Himmel ist
Laut raffelnd stürzll ihm nach der Troß; Kein Spiel, das lieblicher behagt."
Laut klifft' und klafft' es, frei vom Koppel,
Durch Korn und Dorn, durch Heid' und Stoppel.
2. Vom Strahl der Sonntagsfrühe war
Des hohen Domes Kuppel blank.
Zum Hochamt rüste dumpf und klar
Ter Glocken ernster Feierklang.
Fern tönten lieblich die Gesänge
Der andachtsvollen Christenmenge.
3. Rischrasch quer übern Kreuzweg ging's
Mit Horridoh und Hussasa.
Sieh da! Sieh da! kam rechts und links
Ein Reiter hier, ein Reiter da!
Des rechten Roß war silberblinken,
Ein feuerbarb'ner trug den linken.
4. Wer waren Reiter links und rechts?
Ich ahn' es wohl, doch weiß ich's nicht.
Lichthehr erschien der Reiter rechts,
Mit mildem Frühlingsangesicht.
Groß, dunkelgelb der linke Ritter,
Schoß Blitz' vom Aug' wie Ungewitter.
Er rief's, schlug laut sich an die Hüfte
Und schwang den Hut hoch in die Lüfte.
6. „Schlecht stimmet deines Hornes Klang,"
Sprach der zur Rechten sanften Muts,
„Zu Feierglock' und Chorgesang.
Kehr' um! Erjagst dir heut' nichts Gulls.
Laß dich den guten Engel warnen
Und nicht vom bösen dich umgarnen!"
7. „Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr!"
Fiel rasch der linke Ritter drein.
„Was Glockenklang? Was Chorgeplärr?
Die Jagdlust mag euch baß erfreun!
Laßt mich, was fürstlich ist, euch lehren
Und euch von jenem nicht betören!"
8. „Ha! wohlgesprochen, linker Mann!
Du bist ein Held nach meinem Sinn.
Wer nicht des Weidwerks pflegen kann,
Der scher' ans Paternoster hin!
Mag's, frommer Narr, dich baß verdrießen,
So will ich meine Lust doch büßen." —