I. Die Renaissance.
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Messer des Geistes steckt", und in den Lateinschulen erwuchsen dem
Protestantismus wichtige Pflegstätten. Wohl hat auch dem Mittel¬
alter die Kenntnis der Antike zu keiner Zeit ganz gefehlt. Mit der
Erinnerung an das römische Weltreich blieb stets auch die Pflege
seiner Kultur lebendig; fleißige Mönche schrieben Äunderte von
lateinischen Büchern ab und retteten sie dadurch vor dem Untergänge.
Auch waren die auf dem Boden der Völkerwanderung entstehenden
romanischen und germanischen Staaten nur mit einem starken Ein¬
schlage lateinischer Bildung möglich. Lateinisch war die Sprache der
Kirche und der Chroniken, der Gesetze und der Verwaltung. Selbst
die volkstümlichen Schätze heimischer Überlieferung, wie Heldensage
und Tierfabel, legten vorübergehend lateinisches Gewand an, und so
erstarkte die antike Bildung in der Karolinger- und Ottonenzeit
geradezu zu einer „ersten" Renaissance. Doch trat sie während des
Mittelalters niemals derart in den Vordergrund, daß sie Selbstzweck
wurde. Die Periode der Kreuzzüge und der Stauferkaiser zeitigte
in Deutschland vielmehr eine volkstümliche Laienkultur, und dem
ritterlichen Zeitalter folgte ein bürgerliches, das die lateinische Sprache
mehr und mehr auf gelehrte Gebiete einschränkte, bis die Aufklärung
auch diese letzten Reste zugunsten der Nationalsprachen beseitigte.
Immerhin aber wurde der Faden nie ganz abgerissen. In Italien,
wo in der Volkssprache das Latein in voller Deutlichkeit nach¬
klang, war der Humanismus vollends nichts Fremdes, sondern die
wirkliche Wiedergeburt der Vergangenheit, also eine nationale Er¬
scheinung.
2. Aufkommen, Ausbreitung und allgemeine Bedeutung
des Humanismus.
Daß Italien das klassische Leimatland dieser Be¬
wegung wurde, die sich von dort in zahlreichen Schattierungen über
die westeuropäischen Staaten (in Deutschland erst ein Jahrhundert
später) verbreitete, hatte seinen Grund freilich auch in der politischen
Weltlage des 15. Jahrhunderts. Dem Ansturm der ottomanischen
Türken drohte der letzte Rest des oströmischen Reiches mit der kaiser¬
lichen Hauptstadt Konstantinopel zu erliegen. Ein Bündnis mit der
abendländischen Kirche schien einen letzten Weg zur Rettung zu er¬
öffnen, und langwierige Konzilsverhandlungen suchten den alten Riß
zwischen der morgen- und abendländischen Christenheit zu überbrücken.
Eine dauernde Vereinigung wurde zwar nicht erreicht, da Konstanti-
nopel bald fiel; aber um so wertvollere Folgen hatten die Ver¬
handlungen für die Kultur. In Ostrom war das Griechische von