Full text: Griechische Geschichte (4)

Athen. 15 
Diese Zeit der inneren Zwietracht benutzte das kleine Megara, um den 
Athenern die benachbarte, für ihren Handel wichtige Insel Salamis 
zu entreißen. 
In dieser Zeit der Bedrängnis gelang es dem aus dem Königsgeschlecht 
der Kodrideu stammenden Eupatriden Solon, der sich auf seinen Reisen 
ins Ausland eine reiche Erfahrung erworben hatte, in seiner Vaterstadt 
Ruhe und Ordnung wiederherzustellen 1. 
Nachdem er zunächst durch den kretischen Seher Epimenides die Blut¬ 
schuld des kylouischen Frevels hatte sühnen lassen, entflammte er seine 
Mitbürger durch ein von ihm verfaßtes Gedicht zu einer Unternehmung 
gegen die Insel Salamis und brachte dieselbe in kurzer Zeit wieder in 
den Besitz Athens. Alsdann verband er alle Parteien zu einem gemein¬ 
samen Unternehmen, dem (ersten) heiligen Kriege, zum Schutz des delphischen 
Orakels. Da Solon durch seine dem Vaterlande geleisteten Dienste zu 
hohem Ansehen gelangt war, wurde er zum Archon gewählt. 
In dieser Stellung war sein Streben daraus gerichtet, eine Versöhnung 
der Parteien herbeizuführen. Nachdem er die allzustrengen Gesetze des 
Drakon abgeschafft und die Schuldenlast der niederen Stände erleichtert 
hatte (ostaax'8'sta), was er durch eine Änderung des Münzfußes erreichte2, 
gab er dem Staat eine neue Verfassung, welche, aus die Grundsätze der 
Timokrati e begründet, den inneren Frieden wiederherstellte und den Grund 
zn Athens raschem Emporblühen legte. Durch diese Verfassung wurde 594 
die bisherige Adelsherrschaft (Aristokratie) aufgehoben und ein neues 
Bürgertum geschaffen, welches nun ebenfalls einen Anteil an der Staats¬ 
verwaltung erhielt. 
1 Solon gehört mit Kleobulus von Lindus, Periander von Korinth, 
Pittakus von Lesbos, Bias von Priene, Chilon von Sparta, Thales von 
Milet, den sieben Weisen an, welche praktische Lebensregeln in kurzen Senf- 
sprächen zusammenfaßten. Mit dem letzten derselben, Thales (um 600 v. Chr.), 
beginnen die Anfänge der philosophischen Forschung, da er das Haupt der 
ältesten (ionischen) philosophischen Schule ist. Die ionischen Naturphilosophen 
suchten die Ursache des Werdens und Vergehens der Dinge ans einem physi¬ 
kalischen Urprinzip abzuleiten; so nahm Thales das Wasser, Anaximenes die Lust, 
Heraklit das Feuer als Nrstoff der Dinge an. Etwas später als die ionische ent¬ 
wickelte sich die italische oder pythagoräische Schule; sie war von Pythagoras 
aus Samos (um 550 v. Chr.) begründet, der sich zuerst cpiXöaotpoc d. i. Freund 
der Weisheit nannte. Seine tiefsinnige Zahlenlehre und die wissenschaftliche Be¬ 
handlung der Mathematik und Mechanik wurde von seinen Schülern, den Pytha- 
goreern, später weiter ausgebildet. Der realistischen Richtung der ionischen 
Philosophenschule steht der Idealismus der Eleaten gegenüber, deren be¬ 
deutendste Vertreter Tenophanes und Parmenides in der unteritalischen Stadt 
Elca lehrten. Sie stellten als Grundsatz auf, daß der menschliche Geist nur eins 
bestimmt wisse und in sich trage, die Idee des ewigen und sich selbst gleichen un¬ 
endlichen Gottes, der Eins und Alles ist (Pantheismus), das allein im Wechsel 
der Erscheinungen Bleibende und wirklich Seiende. 
2 Wahrscheinlich führte Solon statt der äginetifchen Währung, nach welcher 
das Talent gegen 6540 <-M betrug, das euboifche Talent ein (— 4720 Jl). 
Da nun dem Schuldner gestattet war, feine Schulden in den neuen leichteren 
Drachmen abzuzahlen, so gewann er damit einen Schuldenerlaß von 27 °/o. Eine 
weitere Erleichterung bestand darin, daß der Zinsfuß herabgesetzt wurde und 
fein athenischer Bürger Schulden halber zum Sklaven gemacht oder in die Fremde 
verkauft werden durfte.
	        
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