Full text: Von 1526 bis 1790 (Teil 2 = H. 136 [d. Gesamtw.])

Graf Zinzendorf über Josef II. 31 
zu verteilen, die indirecten zu vereinfachen, den Gewerbefleiß durch Zwangs¬ 
mittel und Verbote zu beleben, den Schmuggel zu verhindern, die Erziehung 
der Jugend, die Schulen, die Priesterseminare, die religiösen Ceremonien 
zu regeln, die Zahl der Klöster zu vermindern, die Pfarren auf dem Lande 
zu vermehren, die Verpflegung der Armee zu sichern. Er fand es für gut, 
die Leibesstrafen zu verschärfen, die Verbrecher mit heißem Eisen brand¬ 
marken zu lassen und die Spitäler, Gefängnisse, Lasematten, Zeug- und 
Armenhäuser abzulaufen. Alle diese Gegenstände wurden ohne Berathung, 
ohne Combination, ohne Überlegung durch Billete, die er Mctirte, erledigt, 
fluch das Regiment der unsterblichen Maria Theresia, das viel milder als 
das seine war, hatte auf Grundsätze und auf die Staatsverfassung keine 
Rücksicht genommen. Despotische Minister ohne wahrhafte Befähigung waren 
die Anordner. Joseph II. mit einem großen Scharfblick begabt entdeckte rasch 
ihre schwachen Seiten. Sein Mißtrauen, das bei Herrschern so natürlich ist, 
flößte ihm eine schlechte Meinung von den Menschen im Allgemeinen ein. 
Er hielt sie nur durch (Ehrgeiz, Habgier und Vergnügungssucht getrieben. 
Rechtschaffenheit und Ehrbarkeit waren ihm ein Räthsel, selbst die Güte, 
die in seinem Herzen ruhte, hielt er in ihren Wirkungen für schädlich. (Er 
bemühte sich gar nicht, eine Verleumdung zurückzuweisen oder zu bestrafen. 
Er bildete sich ein, sicher zu regieren, wenn er alle Zweige der Verwaltung 
zerftückte, ifolirte und in jeder Provinz Zwietracht säete. 3n der Eifersucht 
auf feine Macht untergrub er die Autorität seiner Minister und Gouverneure, 
fluch ein Fürst, welcher die IDiffenfchaft der Regierung von Grund aus 
studirt und in einfache gleichförmige Grundsätze vereinigt hätte, wäre nicht 
im Stande gewesen, so verschiedene Gegenstände durchzuführen oder viel¬ 
mehr er hätte gar nicht den versuch gemacht, und Joseph II. wagte das 
alles zu unternehmen. 3n seinem unruhigen Temperamente verband er 
damit ein zerstreutes Leben und eine wahre Reisewuth. Um den Schein 
zu vermeiden, als habe er den Rath seiner Minister oonnöthen, umgab er 
sich mit einer Schaar subalterner 3ntriguanten. Ein solches Regiment mußte 
unter feiner eigenen Last zusammenbrechen. Ehe 10 Jahr verflossen waren, 
drohte auch der allgemeine Ruin. Dieser Fürst, der seine Verwaltung unter 
so glücklichen Auspicien begonnen, mußte seine willkürlichen Anordnungen 
in Belgien und Ungarn wiederrufen; er beendete feine Laufbahn mit 
49 Jahren, der Regierung und des Lebens müde, und betrachtete das Grab 
als einen Schutz gegen den allgemeinen Sturm und als das Ende feines Mi߬ 
geschickes. . ..
	        
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