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11. „Herr König, siehst Du drüben den Rauch, den Brand, den Strahl? 
So rauchen unsre Hütten, so blitzt der Nachbarn Stahl!“ — 
„Ha, freche Räuber!“ donnert der Fürst in wildem Glühn, 
Und statt des, Glöckleins muss er sein rächend Eisen ziehn. 
12. Schon bleichen seine Haare: vor Dulden wird er schwach, 
Und stets noch schwieg das Glöcklein auf seines Hauses Dach. 
Und wenn’s auch oft wie Freude sich auf die Wang’ ihm drängt, 
Er denkt kaum mehr des Glöckleins, das er hinaufgehängt. 
13. Doch als er nun, zu sterben, in seinem Stuhle sass, 
Da hört er vor dem Fenster Geschluchz' ohn' Unterlass. 
„Was soll das?“ fragt er leise den Kanzler, „sprich’s nur aus!“ — 
„Ach, Herr, der Vater scheidet, die Kinder stehn vorm Haus!“ —- 
14. „Herein mit meinen Kindern! Und war man mir denn gut?“ — 
„Stünd’, Herr, zu Kauf ein Leben, sie kauften Deins mit Blut!“ 
Da wogt’s auch schon zum Saale gedämpften Schritts herein 
Und will ihn nochmals segnen, ihm nochmal nahe sein. 
15. „Ihr liebt mich also, Kinder? — Und tausend weinen: „Ja!“ — 
Der König hört’s, erhebt sich, steht wie ein Heil’ger da, 
Sieht auf zu Gott, zur Decke, langt nach dem Seile stumm, 
Thut einen Riss — es läutet — und lächelnd sinkt er um. 
46. Gral* Eberhard im Bart. 
Von W. Zimmermann. 
Gedichte. Stuttgart 1832. 
1. Zu Aachen sassen die Fürsten, Beim Mahle froh geschart, 
Und rühmten ihre Lande Ein jeder nach seiner Art: 
2. Der Markgraf seine Quellen, Der Pfalzgraf seinen Wein, 
Der Böhme seine Gruben Mit Gold und Edelgestein. 
3. Graf Eberhard sass schweigend. „Nun, Würtemberg, sagt an! 
Was man von Eurem Lande Wohl Köstlich's sagen kann?“ — 
4. „„Von köstlichen Brunnen und Weinen — Graf Eberhard begann — 
Von Gold und Edelgesteinen Ich nicht viel rühmen kann. 
5. Doch war ich einst verirret Im dicksten Wald allein, 
Und unterm Sternenhimmel Schlief ich ermattet ein. 
6. Da war es mir im Traume, Als ob ich gestorben war’; 
Es brannten die Trauerlampen In der Totengruft umher. 
7. Und Männer standen und Frauen Tieftrauernd um meine Bahr" 
Und weinten stille Thränen, Dass ich gestorben war. 
8. Da fiel aufs Herz mir nieder Ein Tropfen heiss und gross — 
Und ich erwacht’ — und ruhte In eines Bauern Schoss.
	        
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