III. Das kenaissancepapsttum 15
hebräischen, ihn hat kurz vor meiner Knkunft der Papst aus eigenem
antriebe zu seinem Bibliothekar gemacht. Der fördert mir täglich Schätze
aus der köstlichen Bibliothek zutage. Der Liebling des Papstes ist
Raffael von Urbino, ein reicher Jüngling von höchster herzensgute
und zugleich ein wunderbares Genie. Er ist ein Mensch von hervor¬
ragenden Eigenschaften,- unter den Malern ohne Streit der erste, ob
man auf Theorie oder Praxis sieht. Hls Laumeister aber ist er so tätig,
daß er Dinge erfindet und vollendet, an deren Möglichkeit die geschick¬
testen Köpfe verzweifelt hatten. Den Vitruv erläutert er nicht nur,
sondern er begründet dessen gufstellungen auch oder greift sie an, beides
mit den sichersten Gründen, aber so liebenswürdig, daß sein angriff
nichts hämisches hat. Augenblicklich hat er ein wunderbares Werk in
Rrbeit, das der Nachwelt unglaublich dünken wird, ich meine nicht die
Peterskirche, deren Bauleiter er ja ist1, davon brauche ich nicht viel
Worte zu machen, aber er zeigt uns das alte Rom selbst, in seinem da¬
maligen aussehen, Umfange und den gegenseitigen Verhältnissen grö߬
tenteils wiederhergestellt. Denn er hat auf den höhen und in den tief¬
gelegenen Fundamenten Ausgrabungen veranstalten lassen und das
(Ergebnis mit den Beschreibungen und Berechnungen bei den Riten ver¬
glichen, das hat den Papst Leo und ganz Rom mit einem solchen Staunen
erfüllt, daß alle zu ihm wie zu einer himmlischen (Erscheinung auf¬
blickten, herabgesandt, um die ewige Stadt in ihrer alten Majestät wie¬
derzubringen. Hber er ist dadurch gar nicht stolz geworden, vielmehr
nur um so zugänglicher und liebenswürdiger, von jedem nimmt er (Er¬
innerungen an und spricht mit jedem. Niemand freut sich mehr, wenn
seine Aufstellungen in Zweifel gezogen oder diskutiert werden. Lernen
und Belehren, das scheint ihm die Krone des Lebens.
5. Ulrich von Hutten an Grotus Rubeanus (1516) über das Born Leos X.2
Also sah ich sie denn, Roms halbzertrümmerte Mauern,
wo mit dem heiligen man selber den (Bott auch verkauft,
sah den erhabenen Priester, o Freund, mit dem heiligen Rate,
und Kardinäle, geschart, prächtig in schleppendem 3ug.
Schreiber so viel und Troß von überflüssigen Menschen,
die mit den Pferden zugleich wallend der Purpur bedeckt.
Tätig die einen in schandbarem Werk, die anderen leidend,
unter dem heiligen Schein frönend der wildesten Lust,
andre sodann, die selbst auch den Schein des Guten verschmähen,
und mit erhobener Stirn Sitte verhöhnen und Zucht,
1 Papst Leo hatte ihn am 1. August 1514 dazu ernannt.
2 Nach der Übersetzung von v. Zr. Strauß in seiner huttenbiographie. Ru¬
beanus, eigentlich Johann Jäger aus Darnach, ist mit Hutten der Hauptverfasser
der Dunkelmännerbriefe.