Full text: Renaissance und Humanismus (H. 45)

22 B. Deutschland 
reit, und bald bist du weit in dieser Philosophie vorgeschritten. Sie selbst 
bietet dir Ersatz für die Gelehrsamkeit des Geistes, denn keinem teilt 
sie sich lieber mit als den einfältigen herzen... Sie stößt keinen zu¬ 
rück, wenn nicht einer sich selbst zurückhält, damit er sein eigener Feind 
ist. Denn ich weiche durchaus von denen ab, die nicht wollen, daß die 
Ungelehrten das wort in ihrer Sprache lesen, hat denn Christus so 
verborgenes gelehrt, daß es kaum ein paar Theologen verstehen kön¬ 
nen? Liegt denn der Schirm der christlichen Religion darin, daß man 
sie nicht kennt ? (Es sei genug, daß die Könige ihre Geheimnisse ver¬ 
hehlen. Hber Christus will sein Geheimnis ausgebreitet haben, so¬ 
weit nur möglich. So wünschte ich wohl, daß alle Frauen das Evan¬ 
gelium lesen und die Briefe des Paulus. Und wären jie doch in aller 
Welt Sprachen ausgegossen, auf daß Schotten und Iren, ja auch Türken 
und Sarazenen sie lesen und kennen lernten. Denn das Kennenlernen, 
das ist sicher der erste Schritt. Diele lachen dann vielleicht, aber einige 
sind ergriffen. Rus der Schrift soll der Bauer ein Liedchen bei der 
Pflugschar singen, der Weber etwas summen bei seinem Webstuhl, 
mit ihren (Beschichten kürze sich der Wanderer die Länge des Weges, 
was Christen miteinander sprechen, komme aus ihr. Denn so sind 
wir, wie unsere (Bespräche sind. Jeder gewinne sich aus ihr, was er 
kann, und zeuge von ihr, wie er kann... 
EDenn einer uns Christi Fußspur zeigt, da fallen wir Christen nieder 
und beten sie an. warum verehren wir nicht lieber sein lebendiges und 
atmendes Hbbild in der Schrift? wenn' man den Rock Christi aus¬ 
stellt, wie weit pilgern wir nicht, um ihn zu küssen ! Aber ob du mir all 
sein Hausgerät weisest, nichts kann Christus mir ausdrücklicher und 
wahrer vor Rügen stellen als das wort des (Evangeliums. (Ein Bild¬ 
werk aus holz und Stein schmücken wir aus Liebe zu Christus mit Gold 
und (Edelsteinen. Hber zierten nicht Gold und (Edelsteine und alle Schätze 
der Welt besser das Werk, das uns Christum lebendiger wiederbringt 
als irgendein Bild? Denn was kann dies ausdrücken als die Gestalt 
öes Leibes? Hber die Schrift bringt dir das lebendige Bild Christi 
wieder, ihn selbst, wie er spricht, heilt, stirbt, aufersteht — du könntest 
ihn mit den leiblichen Hugen nicht mehr erblicken. 
V. Aus Öen Epistolae obscurorum virorum. 
Ein Wormser Magister an das Haupt der Dunkelmänner, 
(Drtwinus (Bratius in Köln, aus Rom.1 
3hr habt mir (beim Rbfchieb) gesagt: Pater, wenn Ihr nach Rom 
kommt, seht zu, ob es neue Bücher gibt, und schickt mir etliche. Schauet 
nun^dji habt Ihr ein neues Buch, das hier gedruckt ist, und weil Ihr ein 
1 Nach der Übersetzung von v. $. Strauß in seiner Biographie Ulrichs 
von Hutten.
	        
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