Die Freiheitskriege,
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§ 38. Die Erhebung in Ostpreußen. Als die Russen in Königsberg
eingerückt und als Befreier aufgenommen worden waren, folgte ihnen
Jork mit seinem Korps und übernahm seine frühere Stellung als kom¬
mandierender General der Provinz Preußen von neuem. Unter der
Führung patriotischer Männer, wie des Oberpräsidenten von Schön,
der Grafen Auerswald und Dohna, trat der Landtag der Provinz
in Königsberg zusammen, um darüber zu beraten, welche Opfer sie jetzt
für König und Vaterland bringen könnten. Auf den Vorschlag Jorks
beschloß der Landtag, ein Landwehrkorps zu errichten. Die Provinz
rief die Freiwilligen zu den Waffen und bildete außerdem einen Land-
stürm. Sie gab das erste Beispiel einer Erhebung des Volkes
gegen die Fremdherrschaft.
§ 39. Der König in Breslau. Am 22. Januar begab sich der
König Friedrich Wilhelm III. von Potsdam, wo seine Sicherheit
durch die französische Besatzung in Magdeburg gefährdet war, nach
Breslau. Hier erließ er am 3. Februar den Aufruf zur Bildung
freiwilliger Abteilungen. Am 28. Februar wurde zwischen Preußen
und Rußland ein Bündnis zu gemeinsamer Fortführung des Krieges
in Kalifch abgeschlossen. Am 15. traf Kaiser Alexander, mit Jubel emp-
fangen, in Breslau ein. Am 17. März erließ der König den ewig denk-
würdigen „Aufruf au Mein Volk". „Es ist", so schloß er, „der letzte
entscheidende Kamps, den wir bestehen für unsere Existenz, unsere Unab-
hängigkeit, unseren Wohlstand. Keinen anderen Ausweg gibt es, als einen
ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, auch diesem würdet
ihr getrost entgegengehen, um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße
und Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht
vertrauen: Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache
den Sieg verleihen, mit ihm einen sicheren glorreichen Frieden und die
Wiederkehr einer glücklicheren Zeit."
An demselben Tage ergingen die Aufrufe „An Mein Kriegsheer"
und zur Bildung der Landwehr und des Landsturmes. Auch wurde
in jenen Tagen der Orden des Eisernen Kreuzes gestiftet.
§ 40- Die Erhebung des Landes. Noch ehe des Königs Aufruf
ergangen war, strömten von allen Seiten Freiwillige zu dem Kampfe
zusammen. Das Volk war in den Jahren der Fremdherrschast ein anderes
^worden. „Kaum war der Königliche Willen erschollen, so erkannte das
Volk ihn durch die Art, wie es gehorchte, ja wie es dem Königlichen
Willen vorauflief, als seinen Willen. Von Memel bis Demmin, von
Kolberg bis Glatz war nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und eine
Liebe. das Vaterland zu retten, Deutschland zu befreien und den fran-
zöjtfchen Ubermut einzuschränken. Jünglinge, die kaum wehrhaft waren,.
Männer mit grauen Haaren und wankenden Knien, Offiziere, die wegen
Wunden und Verstümmelung lange ehrenvoll entlassen, Ärzte, Gutsbesitzer
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