30 B. Deutschland
nachzufolgen, daß er nicht daran verzweifle, daß er mit der Zeit auch
ein Besseres erfinden möge. Venn so das geschieht, so leidet es keinen
Zweifel, daß diese Kunst mit der Zeit wieder ihre Vollkommenheit
erlangen möchte. Denn es ist offenbar, daß die deutschen Maler mit
ihrer Hand und im Gebrauch der Farben nicht wenig geschickt sind,
wiewohl sie bisher an der Kunst der Messung, auch perspektiva und
anderem, Mangel gehabt haben. Darum ist wohl zu hoffen, wenn sie
die auch erlangen und so den Brauch und die Kunst miteinander über¬
kommen, so werden sie mit der Zeit keiner anderen Nation den preis vor
ihnen lassen.
c) Aus dem 3. Buch des Werkes.
Aber das Leben in der Natur gibt zu erkennen die Wahrheit dieser
Dinge. Darum sieh sie fleißig an, richte dich danach und geh nicht von
der Natur in dem Gutdünken, daß du meinen willst, das Bessere aus
dir selbst zu finden. Denn du wirst verführt. Denn wahrhaftig steckt die
Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie.
X. Kaiser Maximilian (1459—1519)?
... (Er sprach als Kind fast neun Jahre lang nicht, so daß ihn
viele für stumm hielten, und brachte gar schwer die ersten Worte her¬
aus, so daß es die Mutter arg schmerzte. Aber soviel Sorgen er mit
dieser Schwerfälligkeit in der Kindheit vielen machte, so viel Bewun¬
derung fand dann seine Beredsamkeit auch beim Ausland. Denn außer
seiner Muttersprache sprach er elegant Lateinisch, Französisch, Italienisch.
Auf Reichs- und Landtagen hat er oft ohne Dolmetsch die längsten
Reden, auch über schwierige Dinge, gehalten, wichtige Angelegen¬
heiten verstand er so zu behandeln, daß es kunstvoll überlegt schien,
was doch nur (Ergebnis natürlicher Begabung war.
(Er war der erste unter allen Fürsten unsrer Zeit, der dem Stamm¬
baum der einzelnen Geschlechter nachspürte. Dazu schickte er seine Send¬
boten durch Italien, Frankreich und Deutschland, daß sie alle Klöster,
alle Bibliotheken, alle Archive der Fürsten durchstöberten. .. Auch zu
philosophieren liebte er, und oft sprach er klüglich über die Dinge der
Natur, niemals obenhin etwas abtuend. Über die Geheimnisse des
Glaubens hat er nicht selten scharfsinnig, aber nicht ohne die (Erleuch¬
tung, die Pythagoras gewiesen hat, gestritten. Auch in der Medizin
hat er oft sich versucht. Nur die Juristen, die die alten Meinungen
des Bartolus und Baldus2 wie Grakel vortrugen, waren ihm zuwider.
So haben unter seiner Führung die hebräische, griechische und la¬
teinische Sprache, überhaupt die feinere Bildung, in Deutschland sich
1 Nach der Lebensbeschreibung seines Rats Spießhammer (Cuspiman).
5 vgl. oben das Stück VI1 5lnm. 2.