Full text: Friedrich der Große. 1. Seine Kriege (1 = H. 63 [d. Gesamtw.])

30 Des Königs letzte Tage 
von denen mir neulich ein Beispiel in der widerrechtlichen Besitzergrei¬ 
fung gesehen haben, die er Bayern gegenüber versuchte. Eine nicht 
minder wichtige Frage ist der Reichstag zu Regensburg und das Kam= 
mergericht zu Wetzlar, wenn man nicht zur rechten Zeit geeignete 
Maßregeln ergreift, um diese alten (Einrichtungen in Geltung zu er¬ 
halten, so wird der Kaiser das benutzen, um einen tyrannischen Despo¬ 
tismus in ganz Deutschland zu errichten. Das sind im wesentlichen die 
wichtigen Punkte, die alle Fürsten in diesem Bunde vereinigen müssen, 
weil ihre Interessen die gleichen sind, und weil, wenn sie einige von 
ihren Stanöesgenoffen verschlingen lassen, die Reihe sicherlich auch an 
sie kommt, wobei sie nur das Vorrecht der stöhle Polpphems haben 
werden, zuletzt verspeist zu werden. Außerdem besteht der vorteil dieses 
Bundes darin, daß, wenn der Kaiser seine Macht mißbrauchen will, die 
vereinigte Stimme des ganzen deutschen Fürstenstandes Eindruck auf ihn 
machen und ihm maßvolle (Besinnungen einflößen wird; widersetzt er sich 
aber, so wird er eine ausreichend starke Gegnerschaft finden, die ihre 
Kräfte den feinigen entgegenstellen kann, ganz abgesehen von den ver¬ 
bündeten, die der deutsche Fürstenbund gewinnen kann, um sich seiner 
Interessen anzunehmen. Das sind, glaube ich, (Erwägungen, die ver¬ 
dienen, reilich bedacht zu werden. . . . 
4V Kudienz des Grafen Segur beim Könige 28. oder 29. Januar 1785.'. 
Ich dankte Seiner Majestät dafür, daß er die Gnade gehabt hatte, 
mir so schleunig eine Audienz zu bewilligen, wodurch mein sehnlichster 
Wunsch erfüllt würde, dem Monarchen meine Ehrfurcht bezeigen zu 
dürfen, dessen Genie ganz (Europa bewunderte, und dessen Freundschaft 
dem Könige, meinem Herrn, außerordentlich wertvoll sei. 
Der König erwiderte, er wünsche aufrichtig, die Bande der Freund¬ 
schaft, die ihn mit Ludwig XVI. verbänden, unversehrt zu erhalten, 
ja diese Freundschaft noch sichrer zu begründen. Darauf fragte er mich 
genauer über das Befinden des Königs, der Königin, der Prinzen und 
ihrer Familie. 3 
Ich babe Frankreich immer geliebt, fuhr er fort, ebenso wie den 
Charakter des französischen Volks und seine Sprache, Kunst und Lite¬ 
ratur. Niemand läßt auch dem kriegerischen (Eifer Ihrer Lands¬ 
leute mehr Gerechtigkeit widerfahren als ich. (Es gibt fein glänzender 
begabtes Volk. Den Franzosen glückt alles, was sie beginnen; aber Sie 
werden ja wissen, daß man sie stets beschuldigt hat, etwas leichtsinnig 
und unbeständig 3u sein. Sie sind ebenso beweglich wie ihre (Einbildungs¬ 
kraft. Majestät, antwortete ich, kein Mensch ist frei von Fehlern, selbst 
öie größten Männer nicht, wenn (Eure Majestät mir die Bemerkung ge- 
1 Memoires ou Souvenirs et aneedoies p. le Conte de Seeur Daris 
1826. II, S. 120. & r
	        
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