Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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5. 
In der Gefangenschaft hatte Thusnelda ihrem geliebten Manne, der 
sein treues Weib nicht wieder sehen sollte, ein Söhnlein geboren; sie mußte 
mit andern Gefangenen ihres Stammes nach Rom wandern und ward 
hier im Triumphe aufgeführt, Segest, ihr Vater, schaute schamlos zu. 
Hermann's einziger Trost war das Vaterland; dem lebte er, für das 
wirkte er. Aus der Römer Gewalt hatte er es errettet und nun wollte 
er es von erneut andern Feinde befreien, von dem bösen Beispiele der 
Alleinherrschaft eines Fürsten. Das gab Marbod, der von den Alpen 
bis an die Elbe sein gewaltiges Markomannenreich aufgerichtet hatte und 
darin als unbeschränkter König herrschte. Nach der Teutoburger Schlacht 
hatte ihm Hermann den Kopf des Varus zugeschickt, aber er hatte den 
Wink nicht verstehen wollen und den Kopf des Römers zum Kaiser Augustus 
gesandt. Um als König herrschen zu können, hielt er es nun mit dem 
Despoten Tiberius. Doch zwei tapfere Stämme des Suevenvolks, die 
Longobarden und die Semnonen, mochten das nicht ertragen; sie 
trennten sich von dem Bunde der Markomannen und reichten den treuen Che¬ 
ruskern die Hand. Bei diesen aber ergrimmte Hermann's Oheim, Jngiomar, 
in Eifersucht über den Ruhm seines Neffen und ging aus Trotz zu den 
Markomannen. So entstand Krieg und Deutsche kämpften wieder gegen 
Deutsche. Die Einen, Hermann's Eidgenossen, waren geringer an Macht, 
doch stärker an Tugend, und kämpften für die Unabhängigkeit deutschen 
Landes; die Andern, Marbod's Gefolge, waren zahlreicher und kämpften 
für die neue Herrschergewalt. Endlich mußte Marbod weichen und er 
schämte sich nicht, die Römer um Beistand anzuflehen; so tief hatte die 
Herrschsucht sein Ehrgefühl verderbt. Da brach ihm plötzlich ein junger 
Edler aus dem Stamm der Gothen, mit Namen K a t w a l d (Catualda), in's 
Land und gewann seine Burg und seinen Schatz; Marbod floh in den 
Schutz der Römer. Sie wiesen ihm die Stadt Ravenna zum Aufenthalt 
an; dort lebte Marbod ruhmlos noch achtzehn Jahre lang. 
Den Hermann aber, den edlen Cherusker, traf der Tod in der Blüthe 
seiner Kraft. Ihm, der die Freiheit mehr noch geliebt als Weib und Kind, 
ihm ward von neidischen Verwandten nachgesagt, er strebe nach der Allein¬ 
herrschaft! Eine Zeit lang vertheidigte er sich mit abwechselndem Glücke; 
endlich aber unterlag er der Arglist. Er wurde von seinen Kriegsgesellen 
überfallen und getöbtet, im zwölften Jahre nach der Schlacht im Teuto¬ 
burger Walde, im siebenunddreißigsten Jahre seines Lebens (21 nach Chr.). 
Doch sein Ruhm, schon damals in Heldenliedern gefeiert und auch von 
römischen Schriftstellern anerkannt, lebt unsterblich fort in den Jahrbüchern 
der Geschichte und in der Dankbarkeit seiner Nachkommen. 
2. Civilis, der brave Bataver (70 n. Chr.). 
1. 
Nach dem Tode des römischen Kaisers Nero (im Jahre 68 n. Chr. 
Geb ) entstand großer Zwiespalt um die Herrschaft des römischen Reichs,
	        
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