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Maximilian „der letzte Ritter" auf dem Throne.
1.
Als Maximilian den Thron bestieg, war et ein Jüngling von außer¬
ordentlicher Schönheit bet Gestalt unb ungemeincm Liebreiz bet mitten,
rasch unb feurig, bereit, bas Gewagteste zu unternehmen. An ritterlichen
Tugenben übertraf ihn Keiner. Auf einem Reichstage zu Worms erschien
einst ein französischer Rittet von riesenartiger Größe unb forberte bie tapfersten
deutschen Ritter zu einem Turniere heraus. Lange mochte es keiner wagen,
mit biesem Goliath in die Schranken zu treten; ba kam in glänzenbet
Waffentüstung mit geschlossenem Visier ein feiner Ritter herangesprengt,
unb biefer warf nach kurzem Kampfe zum Erstaunen Aller ben Riesen aus
dem Sattel in ben Sand hinab. Alle jubelten über bie beutfche Kraft
unb Tapferkeit; aber die Freude ward erst recht groß, als der Ritter das
Visier aufschlug und der Kaisersohn ersannt ward.
Den Gemsen kletterte er nach bis auf die steilsten Felsenspitzen. Ein¬
mal ging et in die Tyroler Alpen auf die Gernsenjagd; da gerieth er in
der Gegend von Innsbruck auf einen hohen Felsen, bie Martins wand
genannt. Et war so eifrig von Fels zu Fels geklettert und gerutscht, daß
et nun in schwindelnder Höhe der Martinswand sich gegenüber sah und
nicht mehr rückwärts und' vorwärts konnte. So viel auch sein Auge nach
einem Ausweg forschte, nirgends war es möglich, die Schritte zurück zu
lenken. Vor ihm war ein jäher Abgrunb, wohl 200 Klafter tief. Seine
Freunde hatten ihn aus bem Gesichte verloren; enbltch entbeckten sie ihn
an ber gefährlichen Stelle. Zwei Tage unb zwei Nächte brachte ber allzu
sühne Fürst auf ber Felsplatte zu; da verzweifelte er an feiner Rettung.
Unten hatte sich das treue Tyrolervolk versammelt, das ihm gern geholfen
hätte; dem gab Max burch Zeichen zu verstehen, er wolle sich zum Tode
vorbereiten unb er verlange noch bas heilige Abendmahl. Während nun
ber Priester lief unten Messe las und das Allerheiligste emporhob, fiel
ber fromme Fürst oben auf seine Kniee unb empfahl seine Seele bem barm¬
herzigen Gott unb alles Volk tag auf ben Knieen und betete mit. Aber
toährenb Max noch betet, hört er hinter sich ein Geräusch; er toenbet sich
um unb schaut einen jungen Tyroler, ber reicht ihm treuherzig bie Hand
und spricht also: „Gnädiger Herr, seid getrost! Gott lebt uoch,^ ber Euch
aus ber Gefahr erretten wirb. Folgt mir nach unb fürchtet Euch nicht,
ich will Euch bem Tobe entführen." Und es gelingt dem braven Manne,
ber jebe Felsspitze genau kennt,, seinen fürstlichen Herrn sonber Gefahr
hinwegzubringen unb ihm bas theuere Leben zu erhalten. Es war, als
hätte ber Himmel selber ben rettenben Engel gesandt.
2.
Der berühmteste und klügste unter den Hofnarren des Kaisers Maxi¬
milian I. war Kunz oder Konrab von ber Rosen. Dieser war ein ver¬
trautet Günstling bes Kaisers unb hatte sich burch seine Treue unb