Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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Früchte der Ehre getragen. Vertraue dabei auf Gottes Rath, er wird das 
Zukünftige am besten fügen." Durch diesen Freundestrost gestärkt, ver¬ 
lebte nun der wackere Jüngling im Hause seines alten Lehrers ruhige, 
glückliche Tage, welche ganz dem Studium der täglich berühmter werdenden 
Kunst des Meistergesangs gewidmet waren. 
4. 
Dieses glückliche Leben sollte aber bald getrübt werden. Hans Sachs 
faßte eine tiefe, herzliche Liebe zu Röschen, der Tochter des reichen Gold¬ 
schmieds Gulden. Der stolze Vater aber hatte sie einem reichen Raths¬ 
herrn bestimmt und wies dem armen Hans auf die demüthigendste Art die 
Thüre. Der Jüngling verließ nun Nürnberg zum zweiten Male und warf 
sich verzweiflungsvoll in einem Walde nieder, den er Abends betreten. Da 
wendete sich sein Geschick. Wie oft, wenn die Noth am größten, auch die 
Hülfe am nächsten ist; wie oft ein schnell eintretender Zufall das trübe 
Geschick'auf das Schnellste und Freudigste wendet, so geschah es, der Sage 
nach, auch mit unserm wackern Sänger. Kaum war er ein Stündlein bei 
einbrechender Dämmerung im Dickicht des Waldes vorgeschritten, als es 
in den Zweigen rauschte und nicht lange darauf die hohe, Ehrfurcht ge¬ 
bietende Gestalt eines stattlich gekleideten Mannes dem in schmerzlichen 
Gedanken vertieften Wanderer in den Weg trat. „Gut, daß ich Euch 
treffe," sprach der Fremde in freundlichem Tone, „Ihr scheint mir aus 
der guten Stadt Nürnberg zu kommen und seid wohl in der Gegend be¬ 
wandert; ich aber habe mich in diesem Walde von meinem Gefolge verirrt 
und muß Euch ersuchen, mir für Geld und gute Worte als Führer nach 
Nürnberg zu dienen, woselbst ich heute noch unfehlbar eintreffen muß." 
Wie nun der mißmuthige Jüngling anfangs, aus leicht erklärlichen Grün¬ 
den, sich weigerte, den Wunsch des Fremden zu erfüllen; wie dieser immer 
heftiger in ihn drang und sich nach der Ursache seines Herzeleids freund¬ 
lich erkundigte; wie darauf der arme Hans Sachs, von der freundlichen 
Zusprache des Fremden, der was gar Vornehmes zu sein schien, bewogen, 
sich entschloß, ihm alles getreulich zu berichten; wie er darauf dem Frem¬ 
den seinen Namen nannte und dieser, der längst von ihm vernommen 
hatte, ihn mit freundlichem Händedruck als Hans Sachs, den weit berühm¬ 
ten Meister deutschen Gesangs, begrüßte; wie dann das Jagdgefolge sich 
auch einfand und der Fremde den Jüngling ermahnte, guten Muths zu 
sein und mit ihm umzukehren, weil er selbst ihn in seinen vermögenden 
Schutz nehmen und seinetwegen mit dem Vater der Geliebten in aller 
Frühe, bevor die Vermählungsfeier vor sich gehen könne, sprechen wolle, 
dies Alles weitläufig zu erzählen, verstattet uns der Raum nicht. Genug, 
Hans Sachs fühlte sich neu gekräftigt und beruhigt, er kehrte im Ge¬ 
folge des vornehmen Mannes, der ihm als weitberühmter Meistersänger 
alle Ehre erwies, nach Nürnberg zurück und ward nach einer vor Freude 
und Hoffnung schlaflosen Nacht in früher Morgenstunde zum Fremden
	        
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