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beschieden, welcher sich dem erstaunten Dichter nun als Kaiser Maximilian
zu erkennen gab.
Und so war es denn vergeblich, daß in der Frühe des Hochzeit¬
morgens der festlich ausgeputzte Rathsherr in das Kämmerlein seiner Braut
trat, um ihr als Symbol der bevorstehenden Feier einen ungeheuren Blu¬
menstrauß zu überreichen; denn wenig Minuten darauf erschien ein pracht¬
voll geschmückter Leibpage und beschied den Goldschmied und sein schönes
Töchterlein zum Kaiser Maximilian, wo ihrer bereits mit hochklopfendem
Herzen in freudigster Erwartung der Dichterjüngling harrte. Vor der
Majestät des Kaisers schwand die Hoffahrt des alten Goldschmieds, wie
man sich denken kann, sogleich und es hielt von diesem Augenblicke an nicht
schwer, von ihm die Einwilligung zur Vermählung der beiden Liebenden
zu erlangen.
Der dichterische Ruf des Mannes, dessen sagenhafte Jugenderlebnisse
wir so eben geschildert, ist in der Geschichte deutscher Dichtkunst unsterb¬
lich. Seine herrlichen, wahrhaft schönen Gedichte, die in Nürnberg zuerst
im Jahre 1558 im Druck erschienen: die einfachen, herzerhebenden Kirchen¬
gesänge (unter denen wir jenes: „Warum betrübst du dich, mein Herz!"
besonders gedenken), seine mannigfachen Gedichte und Opern zum Preise
des großen Reformators Luther und zur Förderung des erhabenen Werks
der deutschen Kirchenverbesserung, endlich noch sein reiner, fleckenloser
Lebenswandel sichern ihm ein bleibendes Andenken in den Herzen aller
Deutschen und in der Geschichte nicht blos deutscher Dichtkunst, sondern
überhaupt in der deutschen Kulturgeschichte.
Hans Sachs starb in seiner Vaterstadt Nürnberg allgemein geehrt
am 25. Januar 1576 im ehrwürdigen Alter von 82 Jahren, nachdem er
schon viele Jahre zuvor zur protestantischen Religion übergetreten war.
Pisrer'jche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Mtenburg.