Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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gewann Rom aufs Neue und vertheidigte die Hauptstadt gegen Totilas 
mit solcher Beharrlichkeit, daß er, als es an Wurfgeschoß mangelte, sogar 
die schönsten Bildsäulen auf die Belagerer herabschleudern ließ. 
Nun aber bestürmten die Feinde Belisars abermals den Kaiser und 
suchten ihm den Argwohn beizubringen, der Feldherr wolle sich zum Allein¬ 
herrscher von Italien machen. Justinian rief wiederum den Belisar zurück, 
und abermals gewann Totilas Rom, ja noch ganz Sicilien dazu. Doch 
die Flotte der Gothen ward geschlagen, und zu Lande kam der neue Feldherr 
Narses, ein Kämmerling des Kaisers, klein und schwächlich, aber großen 
Geistes und tapferen Muthes. Der brachte ein wohlgerüstetes Herr mit, 
und am Fuße der Apenninen, in jener Gegend, wo einst Kamillus die 
Gallier geschlagen hatte (bei Taginae), trafen beide Feinde auf einander. 
Totilas hatte den Gothen verboten, sich der Pfeile oder irgend eines 
andern Geschosses zu bedienen, nur die Speere sollten sie brauchen, nur 
im Handgemenge kämpfen, damit die Kraft und der Muth des einzelnen 
Mannes entscheide. Dieses Verbot war edel, aber nicht klug, weil dadurch 
die Seinigen den Kaiserlichen nachstehen mußten; denn diese bedienten sich 
der verschiedenen Waffen, wie es die Umstände erheischten. Die gothische 
Reiterei stürmte ungestüm vorwärts, ohne daß die Fußgänger ihr folgen 
konnten, und vertraute ihren Speeren; aber ihre Kühnheit war blind und 
bald mußte sie die Folgen derselben empfinden. Sie bemerkten nicht, daß 
die Enden des Halbmondes, in welchem die Bogenschützen aufgestellt waren, 
sich einander näherten und sie einschlössen. Als aber die Pfeile von beiden 
Seiten in ihre Reihen flogen, merkten sie bald ihre Thorheit. Sie hatten 
schon viele Menschen und Pferde verloren, bevor sie nur mit dem Feinde 
recht zusammen gekommen waren, und mit Mühe zogen sie sich auf ihre 
Schlachtreihe zurück. 
Nun aber begann der gewaltige Andrang der Kaiserlichen gegen die 
Reihe der Gothen, und die Römer wetteiferten mit ihren Bundesgenossen 
an Tapferkeit. Der Tag neigte sich, da wurden die Gothen verzagt, denn 
sie waren zurückgedrängt von der Uebermacht der Feinde. Es wurde immer 
dunkler, aber die Römer metzelten ohne Erbarmen Alles nieder. Sechs¬ 
tausend Gothen blieben in diesem Treffen, und die, welche sich den Kaiser¬ 
lichen ergaben, wurden alle getödtet. Totilas floh in der Nacht mit fünf 
seiner Getreuen; die Feinde setzten ihm nach, ohne zu wissen, wer die 
Flüchtigen wären. Unter den Kaiserlichen war auch ein Gepide, Namens 
Asbad. Dieser war dem Gothenkönig zunächst und zielte mit dem Speer 
auf den Rücken des Helden. Ein gothischer Jüngling sah die Gefahr und 
hieb nach dem Feinde, doch es war zu spät; Totilas war tödtlich getroffen. 
Aber er ritt noch eine lange Strecke, bis ihn seine Freunde vom Pferde 
hoben; sie wollten seine Wunde verbinden, aber er starb unter ihren Händen. 
Da machten die Gothen ein Grab und legten ihren unglücklichen König hinein. 
Die Kaiserlichen wußten noch nicht, daß Totilas gefallen sei, bis es 
ihnen eine gothische Frau, die in der Nähe gewesen war, erzählte. Die 
Römer nannten das eine Lüge, bis sie den frischen Grabhügel erblickten,
	        
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