Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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sie wollten ihn, wenn er verfolgt werden sollte, aufnehmen und aufs 
Aeußerste vertheidigen. Dagegen versprach er ihnen, sie niemals zu ver¬ 
lassen, und daß das Paradies ihr Lohn sein sollte, wenn sie in seinem 
Dienste umkommen würden. So gewann er treue und muthige Anhänger 
und eine Zufluchtsstätte, wenn seine Vaterstadt ihn ausstieß. 
Wirklich traf das in Kurzem ein. Die Koreischiten, die sein wach¬ 
sendes Ansehen bemerkten, verschworen sich aufs Neue gegen ihn; sein Tod 
ward beschlossen. Dies nöthigte ihn zur Flucht. In der Nacht des 
16. Julius 622 machte sich der Prophet auf. Seine Anhänger hatte er 
vorausgeschickt; ein einziger, Abu-Bekr, begleitete ihn. Mit Mühe entkam 
Mohammed den Nachstellungen seiner Verfolger, und sechszehn Tage nach 
dem Anfange seiner Flucht gelangte er nach „Jathreb", das von nun 
an „Medina el Nabi", Stadt des Propheten, genannt wurde. Hier 
hatten die Einwohner für sein Leben gezittert; doppelt groß war nun das 
Frohlocken über seinen Einzug. Neue Zusicherungen der Treue und Ehr¬ 
furcht begrüßten ihn und eben die Flucht, die ihn ganz zu vernichten schien, 
führte ihn zur glänzendsten Periode seines Lebens. Billig setzte daher sein 
zweiter Nachfolger, der Kalif Omar, fest, daß von dieser Flucht(Hedschra) 
die Mohammedaner ihre Zeitrechnung beginnen sollten. 
6. 
Von nun an gab Mohammed seiner Lehre mehr Umfang und Be¬ 
stimmtheit. Zu dem Hauptgrundsatz, den er gleich anfangs aufgestellt 
hatte: „Es ist nur ein Gott und Mohammed sein Prophet", kamen ge¬ 
nauere Erörterungen über die Ergebung in den göttlichen Willen (Islam), 
über das Waschen, Beten, Almosengeben, über das unvermeidliche Schicksal, 
dem kein Mensch entrinnen kann, über Belohnungen und Strafen jenseits 
des Grabes. Ein systematisch geordnetes Lehrgebäude stellte Mohammed 
nicht auf. Bei Gelegenheiten, wenn er irgend ein Gesicht oder eine gött¬ 
liche Offenbarung gehabt hatte, ließ er solches auf einzelne Blätter schrei¬ 
ben und unter dem Namen „Koran" (Schrift) bekannt machen. Nach 
seinem Tode sammelte sein Nachfolger, der Kalif Abu - Bekr, die einzelnen 
Blätter zu einem Ganzen, das in 114 Suren oder Abschnitte getheilt 
und gleichfalls „Koran" genannt wurde. 
7. 
Vor der Flucht hatte Mohammed nur durch Unterricht seine Lehre 
auszubreiten gesucht und den Verfolgungen seiner Feinde Geduld entgegen¬ 
gesetzt; jetzt aber fing er an, das Schwert für feine Sendung zu ziehen. 
Aus dem begeisterten Prediger ward ein gewaltiger Heerführer, und Be¬ 
kämpfung der Ungläubigen ward Glaubenspflicht. „Einen Tropfen Bluts," 
rief er den ©einigen zu, „in Gottes Sache vergossen, eine Nacht in Waf¬ 
fen zugebracht, ist mehr werth, als zwei Monate Fasten und Beten. Wer 
im Treffen fällt, dessen Sünden sind vergeben. Am Tage des Gerichts 
werden seine Wunden glänzen wie Leuchtkäfer und riechen wie Moschus.
	        
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