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sich von Katharina zu scheiden und Anna Boleyn zu heirathen, so er¬
griff er mit Freuden diesen Rath. Wirklich sprachen auch die Universi¬
täten ganz so, wie er es gewünscht hatte. Sie erklärten die Ehe mit
Katharina für unrechtmäßig und die Vermählung mit jeder andern Frau
für erlaubt.
So ward denn die unglückliche Katharina verstoßen und gleich darauf
hielt Heinrich mit seiner lieben Anna Hochzeit. Aber auf den Papst war
er so erbittert, daß er sich von der katholischen Religion ganz lossagte.
Gewiß hätte er die lutherische Lehre, die in England bereits viel Anhänger
gefunden hatte, angenommen, aber Luther hatte ihm früher einmal einen
derben Brief geschrieben und das konnte ihm der eitle Heinrich nicht ver¬
gessen. Er schrieb daher nach seinem eigenen Gutdünken ein Lehrbuch
des christlichen Glaubens und verlangte, daß alle Unterthanen seine neue
Lehre, die ein Mittelding zwischen der katholischen und evangelischen war,
annehmen sollten. Das war eine despotische Forderung; die Lutheraner
und Katholiken weigerten sich, den ihnen lieb und theuer gewordenen
Glauben wie ein Kleid zu wechseln. Da ließ Heinrich aller Orten Scheiter¬
haufen errichten und die treuen Bekenner wurden grausam hingerichtet.
Dann zog er alle kleineren Klöster in seinem Lande ein, 315 an der
Zahl, und als die reichen Einkünfte derselben in seinen Schatz geflossen
waren, kamen auch die größeren Klöster und Abteien an die Reihe, mit
ihren unermeßlichen Reichthümern. Aber das gewonnene Geld verschleu¬
derte Heinrich auf die unbesonnenste Weise an seine Günstlinge. Sonst
hatten zur allgemeinen Landsteuer die Geistlichen das Meiste beigetragen;
jetzt, da sie der Güter beraubt waren, fiel das weg und Karl V. sagte
mit Recht: „Der König von England hat mit eigner Hand die Henrte
todtgeschlagen, welche ihm die goldenen Eier legte!" Der Papst hatte zu
einem so ungeheuren Eingriffe in die Rechte der Kirche natürlich nicht
geschwiegen; Heinrich wurde in den Bann gethan und sein Land Jedem,
der es zu erobern Lust hätte, übergeben. Aber die Macht des heiligen
Vaters war schon sehr geschwunden und die Fürstenmacht die überwie¬
gende geworden.
2. Johanna Gray und Maria von England.
Heinrich VIII. hatte in einer Despotenlaune die unschuldige Anna
Boleyn, die er im Verdacht der Untreue hatte, hinrichten lassen und dar¬
auf nach einander noch vier Frauen genommen, von welchen eine starb,
die andere (Anna von Kleve) wieder nach Deutschland geschickt, die folgende
wegen wirklicher Untreue enthauptet wurde, und nur die letzte ihn über¬
lebte. Als Heinrich VIII. starb, war sein einziger Sohn Eduard VI.
erst neun Jahr alt. Es übernahm daher sein Oheim, der Graf Herfort,
unter dem Namen „Protektor" (Beschützer) von England, die vormund-
fchaftliche Regierung. Unter ihm ward die Reformation vorzüglich durch
den Erzbischof von Kanterbury, Thomas Cranmer, auf eine mildere und
weisere Art verbreitet. Die Protestanten erhoben triumphirend ihr Haupt,