72
ber Weise hatte ihn schon damals wegen seiner Freimüthigkeit so lieft ge¬
wonnen, daß er erklärte, er werbe nicht zugeben, baß man ben Doktor
Luther nach Rom schleppe. Er brachte es bahrn, baß Leo seinem Ge¬
sandten, bem Kardinal Kajetan, Besehl gab, Luthern in Augsburg zu
verhören. Dahin reiste auch biefer ab, unb zwar zu Fuße, vom Kurfürsten
mtt Reisegeld und Empfehlungsbriefen an einige vornehme Rathsherren
versehen. Der Kardinal empfing ihn freundlich, forberte aber streng, er
solle seine Irrthümer wiberrufen, sich künftig berselben enthalten, unb in
allen Stücken sich betn Papste gehorsam beweisen. Unerschrocken antwortete
Luther, er sei sich keiner Irrthümer bewußt, unb vertheibigte, was er ge¬
lehrt hatte, mit christlichem Muth. Doch versprach er zu schweigen, wenn
auch seinen Gegnern stillschweigen auferlegt werbe. Damit war aber ber
Kardinal sehr unzufrieben; er hieß ihn gehen und nicht wieberkommen,
wenn er nicht nachgeben wolle. Da verließ Luther auf Rath unb mit
Sethülfe seiner Freunbe schnell unb heimlich bie Stabt Augsburg, unb
kam nach 11 Tagen wieber in Wittenberg an. Doch zuvor hatte er noch
in Gegenwart mehrerer Zeugen v o n b e nt übelberichteten Papst an
den besser zu berichtenden appellirt, unb biefe Berufung nicht nur
an den Dom zu Augsburg angeschlagen, sondern auch dem Kardinal über¬
schicken lassen. Dagegen verlangte der Kardinal, der Kurfürst von Sachsen
solle nun Luthern nach Rom schicken, und der Papst bestätigte die Abla߬
predigten und erklärte Luther für einen Ketzer. Er hatte an Kajetan ge¬
schrieben: „So du fein mächtig wirst, wollest du ibtt ja wohl und gewiß
verwahren lassen, bis so lange du von uns weitere Befehle erhältst, auf
daß er vor uns gestellt werde. Wo er in feiner Halsstarrigkeit beharrt,
und du ferner nicht kannst mächtig werden, so geben wir dir gleiche Ge¬
walt und Macht, an allen Orten Deutschlands ihn unb Alle, so ihm an¬
hangen, für Ketzer, Verfluchte unb Vermalebeite zu publiciren." Diese
Rebe trieb Luthern weiter; er appellitte von betn Papste an eine all¬
gemeine Kirchenvetfammlung.
Run versuchte Leo X. Luthern burch Milbe zu gewinnen. Er über¬
trug feinern Kammerherrn Karl von Miltitz, einem Ebelmann aus
dem Meißnischen, bem Kurfürsten von Sachsen eine goldene Rose, als
Gnadenzeichen des Papstes, zu überbringen und bei dieser Gelegenheit die
Streitigkeiten mit Luther in Güte beizulegen. Miltitz ließ Luthern nach
Altenburg kommen, und durch stritte Milde und Freundlichkeit gelang es
ihtn auch, daß er den Doktor dazu bewog, einen überaus ehrerbietigen
Brief an den Papst zu schreiben und dem päpstlichen Stuhl und der rö¬
mischen Kirche die tiefste Ergebenheit auszudrücken.
Aber was Miltitz aufzubauen versucht hatte, zerstörte wieder Dr. Jo¬
hann Eck, Profeffot der Theologie zu Ingolstadt. Dieser, ein gelehrter
und gewandter Matttt, aber auch heftig und stolz, glaubte mehr als alle
Gegner Luther's auszurichten oder durch die Feinheit feiner Disputirkünste
ihn niederschlagen zu können. Er forderte daher ihn und andere Witten-
bergifche Theologen zu einer öffentlichen Disputation nach Leipzig. Als