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mir nachher seines Herrn Zelt gewiesen, dessen Umfang ich so groß befunden, als 
Warschau oder Lemberg in seinen Mauern sein mag. Das Feldzeichen, welches mit 
sonderbaren Zeremonien dem Großvezier Pfleget vorgetragen zu werden, ist mir 
dabei zu teil geworden samt dem Mahometischen Banner, womit der Sultan ihn zu 
diesem Feldzug beschenkt hat und welches ich heute nach Rom an I. Päpstl. Heilig¬ 
keit übersendet habe. 
Bei unserer Armee sind die schönsten in Gold eingefaßten Säbel und andere 
rare türkische Rüstungen in Menge zu sehen. Die Nacht hat uns überfallen und 
gehindert, daß wir mit der Verfolgung nicht haben fortfahren können. Es ist zwar 
nicht zu leugnen, daß die Feinde sich dennoch tapfer gewehret habeu; die Janitscharen 
aber, so in den Laufgräben gestanden, haben das meiste eingebüßt und sind auch 
meistens niedergemacht worden. Dieser Leute Verwegenheit und stolzer Mut ist so 
groß gewesen, daß, während ein Teil mit uus im Felde geschlagen, der andere auf 
die Festung gestürmt hat, welches sie zwar bei so großer Macht wohl haben thun 
können. Ich rechne die Belagerer ohne die Tartaren ans 300 000 Mann. Der 
Gezelte werden wenigstens 100 000 sein. Von denen nimmt ein jeder der Über¬ 
winder, was ihm beliebt. Auch die in der Stadt laufen heraus und holen nach Ge¬ 
fallen hinweg. Ich glaube, daß sie wohl acht Tage mit Beutemachen werden zuzu¬ 
bringen haben. 
Auf der Flucht hat der Feind viele gefangene österreichische Leute, insonderheit 
Frauen, so nicht mit fortzubringen gewesen, niedergesäbelt, worunter noch viele, die 
von den empfangenen Wunden können geheilt werden. 
Ich habe lange mit dem Vezier fechten müssen, welcher seine ganze Macht aus 
meinen rechten Flügel angeführet, also daß der linke Flügel wenig zu thun gehabt, 
bis sich derselbe von seiner Stelle bewegt und mir zu Hilfe gekommen ist. 
Heute früh bin ich in der Stadt gewesen und habe befunden, daß sich solche 
kaum über fünf Tage mehr hätte halten können. Niemals ist so große in kurzer 
Zeit gefertigte Arbeit mit Menschenaugen gesehen worden, wie da in Zubereitung 
der Minen gewaltige Steine und Felsen durchbrochen und über Haufen geworfen 
sind. Die kaiserliche Burg ist von den Stückkugeln ganz durchlöchert und verderbet. 
* Es waren um mich her der Kurfürst von Bayern, der Fürst von Waldeck und 
viele andere Reichsfürsten, die mich umhalfeten und küsseten. Heute früh kam der 
Kurfürst von Sachsen samt dem Herzog von Lothringen zu mir, mit denen ich gestern 
nicht habe sprechen können, weil sie auf der äußersten Spitze des linken Flügels ge¬ 
standen. Endlich kam der Befehlshaber der Stadt Wien, Gras von Stahremberg, 
mit vielem Volk hohen und niedrigen Standes mir entgegen. Jedermann hat mich 
geherzt, geküßt und ihren Erlöser genannt. Hierauf habe ich zwei Kirchen besucht, 
da ich ebenfalls nicht wenig Leute angetroffen, die sich bemüheten, mir die Hände, 
ja Füße und Kleiber zu küssen; die meisten mußten zufrieden fein, daß sie nur den 
Rock anrühren konnten. Sie erhoben zusammen ein Jubelgeschrei; ich habe aber 
bie beutscheu Offiziere gebeten, baß solches möchte verwehret werben. Dessenunge¬ 
achtet aber hatbeitnoch ein großer Haufen überlaut gerufen: Es lebe ber König!
	        
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