fullscreen: Lehrbuch der Weltgeschichte

Speciellc Geschichte. 
611 
der Reichstag zu Stande kam, sagten sich Hannover und Sachsen von 
dem Bündnisse los und traten mit Würtemberg und Baiern zu einem 
Vierkönigsbündniss zusammen, für welches sich Oesterreich beifällig er¬ 
klärte , von dem aber Hannover bald wieder zurücktrat. Am 20. De- 
cember (1849) legte der Reichsverweser seine Würde nieder in die Hände 
der Bevollmächtigten Oesterreichs und Preußens, welche Mächte unter¬ 
dessen zur Einsetzung einer Bundescommission, dem sog. Interim, über- 
eingekommen waren. Erzherzog Johann ging, und Niemand fragte, 
wohin? er weilt, und Niemand fragte, wo? und dies that bas Volk 
nicht aus Undankbarkeit, sondern in dem Bewusstsein seiner eigenen 
Schuld und in der Ueberzeugung, dass es getäuscht worden sei von dem 
Manne, dem sein Vertrauen die höchste Macht anvertraut hat. 
Auf Betrieb Oesterreichs wurde der 10. Mai 1830 zum Zusammen¬ 
tritt einer Bundescentralgewalt aller deutschen Bundesregierungen, d. h. 
zur Wiederherstellung des alten Bundestages, festgesetzt, wozu sich die 
Vertreter Oesterreichs, Baierns, Würtembergs, Kurhessens und noch 
einiger kleinerer Ländchen einstelltcn, während Preußen mit seinen Ver¬ 
bündeten sich davon ausschloss und Hannover in ganz isolirter Stel¬ 
lung blieb. Der Bundestag der Großdeutschen tagt noch fort in Frank¬ 
furt, dagegen ist das Bündniss vom 26. Mai am 15. Oclober nicht 
verlängert worden. Gegenwärtig intervenirt der Bundestag durch bai¬ 
rische Truppen in Kurhessen, dessen Beherrscher durch Berufung Hassen- 
pflug's als Premierminister offen die Rückkehr zum Alten aussprach und 
sein Volk zur Verzweiflung trieb. Wie die Baiern zu hausen im Stande 
sind, das werden sich die älteren Personen aus den Zeiten Napoleon's 
noch erinnern, und sie thun alles Mögliche, um die alten Erinnerungen 
wieder in's Leben zu rufen. Preußen, welches als Unionsvorstand vom 
26. Mai ebenfalls Truppen nach Kurhessen warf, beschränkt sich auf 
die Etappenstraßen in Kurhessen und überlässt gegenwärtig dem gro߬ 
deutschen Erecutionöheere immer mehr Terrain. Üeberhaupt spielen die 
Cabinette in Deutschland wieder solch ein Spiel, dass der schlichte Ver¬ 
stand auf die Vermuthung kommen muss, es sei Alles seit zwei Jahren 
abgekartet worden. Und wenn auch Preußen gegenwärtig die Mobili- 
sirung der gesammten Streitkräfte angeordnet hat, so ist es doch nach 
den letzten Vorgängen in Warschau (2. November 1850) und durch die 
beharrlichen Demüthigungen von Seiten Oesterreichs gerichtet und kaum 
noch als Großmacht geltend. Was auch die Tagesblätter schreiben 
mögen von dem Enthusiasmus, mit welchem die Söhne des Vaterlandes 
den Fahnen zueilen, es ist nicht so, wenigstens jetzt nicht mehr, denn 
noch weiß Niemand, wofür solche Opfer gebracht werden sollen, und 
sollten es dynastische Interessen sein, so bürste an die Stelle des Enthu¬ 
siasmus, bei den wenigen Specifisch-Preußen ausgenommen, sehr 
schnell ein anderes Gefühl treten. 15 Millionen kostet die Mobilisirung, 
wenn man aber den Schaden, den die Familien dadurch leiden, dass 
39*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.