Full text: Germanien in den ersten Jahrhunderten seines geschichtlichen Lebens

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Alleinbesitzer war der gesetzliche Vormund und Herr der ganzen 
Familie (Sippschaft). Seine Verwandten, männliche (Schwert- 
magen) wie weibliche (Spillmagen), standen in seinem Bann, 
d. h. mußten ihm gehorchen. Das Vermögen ging nach einem 
bestimmten Erbrecht aus die Söhne, oder in Ermangelung 
solcher auf die nächsten männlichen Verwandten über. Testa¬ 
mente waren unbekannt. Frauen und Töchter waren von der 
Erbschaft des Grundbesitzes ausgeschlossen, dafür lag aber den 
Brüdern und Erben die Pflicht ob, für die Unverheiratheten 
zu sorgen, sie zu schützen und zu vertreten. 
VolKsgtmeinde und Geschlechtshäupler. 
Der Haupthof des Grundherrn mit seinen gutshörigen 
Leuten und die kleinen Besitzungen der gemeinen Freien bildeten 
die Gemeinde; mehrere Gemeinden standen in einem weiteren 
Verbände, der Markgenossenschast genannt werden mag, 
eine freie Vereinigung aller Grundeigenthümer, deren gemein¬ 
samer Besitzstand die ,,Markung" ausmachte. Wald, Weide 
und Haideland blieben Gemeingut (Allmend), über dessen Be¬ 
nutzung gewisse Bestimmungen bestanden haben werden, nach 
denen die gewählten Markrichter streitige Fälle ausglichen. 
Mehrere durch freie Verträge vereinigte Marken bildeten einen 
G au. Aus ber Verbindung sämmtlicher Gaue bestand der 
Volksstamm, der Staat. Mit dieser räumlichen (5 in theil miß 
mag eine Gliederung nach Familien und Geschlechtern verbun¬ 
den gewesen sein. 
Zu bestimmten Zeiten, am Neumond oder Vollmond, tra¬ 
ten die Grundeigenthümer des Gaues, kleine wie große, zu 
einer Volks gemeinde (Thing) zusammen, um über gemein¬ 
same Angelegenheiten zu berathen und Beschlüsse zu fassen. 
Die Versammlung fand gewöhnlich im Freien (häufig in den 
,,Hünenringen" aus Anhöhen) statt, und es dauerte zuweilen 
drei Tage, bis alle Theilnehmer eintrafen, nicht, wie Tacitns
	        
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