Full text: Die Urzeit, Das Frankenreich unter den Merowingern und Karolingern (Theil 1)

4 Einwanderung der Germanen in das heutige Deutschland. 
Meere voneinander geschiedene Völker in ihren sprachen eine so 
große Ähnlichkeit haben sollten. Auch verwandte Züge in der 
Mythologie und Sagenpoesie weisen darauf hin. Deshalb nimmt man 
an, daß es ein indogermanisches Urvolk gegeben habe, daß dieses Ur- 
volk im vorderen Asien, aus der Hochebene am Kaukasus, seßhaft ge¬ 
wesen, daß später ein Teil davon (Griechen und Römer) südwestlich, 
ein anderer (Germanen, Slawen, Kelten) nordwestlich des Kas¬ 
pischen Meeres ausgewandert sei. Letztere drei, nimmt man weiter 
an, seien noch eine Zeit lang zusammen gewandert (was man aus ge¬ 
wissen besonderen Ähnlichkeiten gerade dieser drei Sprachen folgert), 
dann hätten sich die Slawen nordwärts (ins heutige Polen und Ru߬ 
land), Kelten und Germanen westwärts (etwa dem Laufe der Donau 
folgend) gegen die Mitte Europas gewendet. Die Germanen müßten 
irgendwo auf ihrem Wege wieder halt gemacht haben, denn lange 
vor ihnen seien die Kellen in den Ländern zwischen Donau, Rhein, 
Nord- und Ostsee angelangt. Dort hätten sie gewohnt, bis sie von 
den nachrückenden Germanen weiter westlich gedrängt worden seien. 
So stellt sich das Bild der Urgeschichte unseres Volkes nach den Er¬ 
gebnissen der vergleichenden Sprachwissenschaft dar. 
Was freilich unsere Urmutter bewogen haben mag, die in jeder 
Hinsicht so reich gesegneten Landschaften am Kaukasus zu verlassen, 
um sich in das unwirtliche Nordeuropa zu begeben, darüber weiß 
man ebensowenig etwas, wie über den Zeitpunkt, wo jene Wande- 
rungen stattgefunden, und über den Weg, welchen unsere Altvorderen 
eingeschlagen haben mögen.*) 
Darüber, daß vor den Germanen ein anderes, ihnen zwar ver¬ 
wandtes, doch aber von ihnen verschiedenes Volk, die Kelten, hier ge¬ 
wohnt habe, sind so ziemlich alle Geschichtsforscher einig. Manche 
wollen Spuren der Kelten in Europa bereits 2000 Jahre vor Christus 
entdecken, andere erst um 800 Jahre später; der griechische Geschichts¬ 
schreiber Herodot, der um 500 vor Christus schrieb, thut der Kelten 
Erwähnung; die Scharen, die unter Brennns 390 vor Christus Rom 
einnahmen, waren aller Wahrscheinlichkeit nach keltische. Auch die 
Ansicht wird von einzelnen Geschichtsforschern vertreten, daß Kelten 
und Germanen derselbe Stamm seien. Da indes so viel feststeht, daß 
zwischen Kelten und Germanen in bezug auf Sprache, Sitte, Cha- 
*) „Ist es uns heut noch unmöglich, uns von deu früheren Stadien dieser 
Wanderungen eine deutliche Vorstellung zu machen, so ist es bis jetzt ebenso un- 
thuniich, den Weg festzustellen, auf welchem die Germanen nach Europa kamen." 
Nitzsch „Geschichte des deutschen Volkes," 1. Bd., S. 16.
	        
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