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Erde bedeckt, bis sie um's Jahr 1389 der Papst Sixtus V. wieder
aufgraben ließ: ein berühmter italienischer Baumeister, Domeniko Fon¬
tana, kittete den größten Obelisk, der in drei Stücke zerbrochen war,
wieder zusammen und richtete diesen nebst drei anderen Obelisken
wieder vollständig auf. Mit diesen Arbeiten brachte er vier Jahre
zu; der eine 179 Fuß hohe Obelisk wog beinahe 13,000 Centner, und
um ihn aufzurichten, brauchte man die künstlichsten Maschinen, die
durch 800 Menschen und 186 Pferde in Bewegung gesetzt wurden. —
Ein fünfter liegt noch, in sechs Stücke zerbrochen, unaufgerichtet in
Rom. — Noch jetzt gebraucht man kleinere Obelisken, die nach dem
Bilde der alten ägyptischen, meist aber aus mehreren Felsstücken zu¬
sammengesetzt sind, zur Zierde von Palästen und Gärten: auch haben
gewöhnlich die Meilenzeiger die Gestalt der Obelisken.
Ungeheurer waren die Pyramiden, deren ich schon vorher erwähnt
habe. Man findet jetzt noch an vierzig von verschiedener Größe: sie
sind aus Kalksteinen erbaut, die, ohne allen Kitt oder Mörtel, auf ein¬
ander gelegt bloß durch ihre Schwere zusammenhalten. Auch dazu
mußten die Steine aus den östlichen Felsen gehauen, auf Flössen durch
den Nil und die Kanäle des Nil fortgebracht, und endlich an dem be¬
stimmten Platz bis zu der ungeheuern Höhe von 500 oder 800 Fuß
aufgethürmt werden. Und diese Gebäude wurden aufgeführt, nicht auf
Ebenen, sondern auf Hügeln, die der Nil bei seinen Überschwemmungen
nicht erreichen konnte. Eine Anhöhe von gegen 1300 Schritt im Um¬
fange mußte geebnet, ein Damm angelegt werden, die Felsstücke den
Hügel hinaufzubringen: auf dem Hügel mußte man Erdterrassen aus¬
werfen, statt der Gerüste, um auf die untere Lage von Felsstücken eine
neue zu legen, diese Terrassen allmälig bis zum Gipfel erhöhen, dann,
war die Pyramide fertig, die Terrassen auf allen vier Seiten wieder
abtragen; und unter der größten Pyramide findet man den Hügel tief
ausgegraben, unter der Erde Gemächer gebaut, und durch einen Kanal
unter dem Boden weg den Nil bis in die Tiefe dieser Pyramide ein¬
geleitet. — Man staunt bei der bloßen Erzählung über die ungeheueren
Werke, bewundert die Kraft und Beharrlichkeit der Menschen, die dies
auszuführen im Stande waren, aber begreift nicht, wozu solche Stein¬
massen, zwar mit Gängen und Gemächern, aber ohne Thüren und
Fenster, so ungeheuer groß aufgeführt wurden. Man erzählt, sie seien
zu Begräbnissen bestimmt gewesen. Der Geist und Charakter der ägyp¬
tischen Nation weicht so ganz von unserer Denkweise und unseren
Sitten ab, daß wir uns freilich da gar nicht hineindenken können.
Indeß beweiset Mehreres, daß die Aegypter eine ganz ausgezeichnete
Achtung gegen Todte hatten: sie balsamirten die Leichname mit großem
Kostenaufwande ein und bewahrten sie als Mumien; sie stellten beim
Gastmahl die Mumie eines Freundes neben sich: sie reichten hölzerne
Bilder von Todten bei Tische herum und hielten es für den größten
Schimpf, nicht feierlich begraben zu werden. (Es war nehmlich in
Aegypten ein sogenanntes Todtengericht, welches aus vierzig Richtern
bestand, und, ehe ein Todrer begraben wurde, alle Klagen gegen den
Verstorbenen anhörte und darnach entschied, ob er durch einen guten
Lebenswandel die Ehre eines Begräbnisses verdient habe oder nicht.
Selbst die Könige waren von diesem Gericht nicht frei, und mancher