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gerädert zu werden. Seine Regentschaft kostete unendliche Summen, das
Land aber war erschöpft und das Volk seufzte unter dem Drucke uner¬
schwinglicher Abgaben. In diese Zeit fällt das kolossale Schwindel- und
Trugsystem des Schottländers Johann Law, welcher im Verein mit
der westindischen Gesellschaft unter königlicher Bewilligung eine Bank er¬
richtete , und für seine Aktien reichen Gewinn in den französischen Be¬
sitzungen von Nordamerika versprach. Bald stieg das Papiergeld, welches
aus den Banknoten und Aktienscheinen entstand, durch häufige Nachrichten
von Goldgruben und anderweitigem Gewinne der westindischen Gesellschaft
außerordentlich im Werthe*). Die Aktien wurden so sehr gesucht, daß
derjenige, welcher eine Aktie für 500 Livres gekauft hatte, später für
20,000 sie verkaufen konnte. Natürlich mußte dieses Lügengebäude nach
kurzer Zeit in sich selbst Zusammenstürzen. Schlaue Betrüger, die das
Geschäft berechneten, verkauften ihre Aktien und gingen mit dem ge¬
wonnenen Gelde über die Grenze. Bald wurde es bekannt, daß die
Nachrichten aus Nordamerika erdichtet waren. Jetzt fiel mit einem Male
der Kredit und Werth der Papiere, so daß das Volk zu der Bank hin¬
strömte, um seine Aktien einzulösen. Da war aber nicht so viel Geld
vorhanden als nöthig, und man konnte die Wuth der Betrogenen kaum
beschwichtigen. Law mußte schleunigst fliehen, und starb in Italien in
dürftigen Umständen; Tausende waren an den Bettelstab gebracht, Tausende
ihrer Epistenzmittel beraubt; die Klugen aber und die Höflinge hatten sich
bereichert.
Nach dem Tode des Regenten und seines würdigen Genossen über¬
nahm Ludwig XV die Regierung, und es war einige Hoffnung auf
Besserung vorhanden, da sein Erzieher, der wohldenkende Erzbischof F leury,
als erster Minister ihm zur Seite stand. Bei aller Redlichkeit jedoch,
die demselben eigen war, gelang es auch ihm nicht, der sinnlichen Natur
des Königs Meister zu werden. Mit Marie, der schönen und tugend-
samen Tochter des Königs Stanislaus Lesczynski vermählt, zeigte
Ludwig doch keinen Sinn für eine geordnete Häuslichkeit, er suchte
Zerstreuungen an der unlautersten Quelle, und bald war man so weit
*) Es ist unglaublich, mit welcher Blindheit und Leichtgläubigkeit das sonst so
kluge französische Volk diesem Unternehmen sich hingab. „Die Baukzettel stiegen über
ihren Nennwerth, die Aktien auf das Zehnfache des ersten Preises. Der ungeheure
Gewinn erregte so allgemeinen Schwindel, daß selbst die besonnensten Leute ihr Be¬
sitzthum verkauften und ihr Gold und Silber fast allen Werth verlor. Man trachtete
nur nach den wundervollen Papieren. In der Straße Quinquempoix, dem Sitze der
den Papierverkehr leitenden Behörden, sah man von den vornehmsten Adeligen und
Geistlichen bis auf den niedrigsten Pöbel Alles versammelt und auf Gelderwerb er¬
picht. Herzöge und Bischöfe, Magistratspersonen, Betrüger und Bettler, vornehme
Damen und Dienstmädchen, Alles traf hier zu gleichem Zwecke zusammen. Die Miethe
der Häuser stieg ins Unglaubliche, und Manche wurden nur dadurch reich, daß sie ihren
Rücken hergaben, die eiligst abgeschlossenen Verträge darauf zu unterschreiben."