Object: [Neuere Geschichte] (Theil 3)

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gerädert zu werden. Seine Regentschaft kostete unendliche Summen, das 
Land aber war erschöpft und das Volk seufzte unter dem Drucke uner¬ 
schwinglicher Abgaben. In diese Zeit fällt das kolossale Schwindel- und 
Trugsystem des Schottländers Johann Law, welcher im Verein mit 
der westindischen Gesellschaft unter königlicher Bewilligung eine Bank er¬ 
richtete , und für seine Aktien reichen Gewinn in den französischen Be¬ 
sitzungen von Nordamerika versprach. Bald stieg das Papiergeld, welches 
aus den Banknoten und Aktienscheinen entstand, durch häufige Nachrichten 
von Goldgruben und anderweitigem Gewinne der westindischen Gesellschaft 
außerordentlich im Werthe*). Die Aktien wurden so sehr gesucht, daß 
derjenige, welcher eine Aktie für 500 Livres gekauft hatte, später für 
20,000 sie verkaufen konnte. Natürlich mußte dieses Lügengebäude nach 
kurzer Zeit in sich selbst Zusammenstürzen. Schlaue Betrüger, die das 
Geschäft berechneten, verkauften ihre Aktien und gingen mit dem ge¬ 
wonnenen Gelde über die Grenze. Bald wurde es bekannt, daß die 
Nachrichten aus Nordamerika erdichtet waren. Jetzt fiel mit einem Male 
der Kredit und Werth der Papiere, so daß das Volk zu der Bank hin¬ 
strömte, um seine Aktien einzulösen. Da war aber nicht so viel Geld 
vorhanden als nöthig, und man konnte die Wuth der Betrogenen kaum 
beschwichtigen. Law mußte schleunigst fliehen, und starb in Italien in 
dürftigen Umständen; Tausende waren an den Bettelstab gebracht, Tausende 
ihrer Epistenzmittel beraubt; die Klugen aber und die Höflinge hatten sich 
bereichert. 
Nach dem Tode des Regenten und seines würdigen Genossen über¬ 
nahm Ludwig XV die Regierung, und es war einige Hoffnung auf 
Besserung vorhanden, da sein Erzieher, der wohldenkende Erzbischof F leury, 
als erster Minister ihm zur Seite stand. Bei aller Redlichkeit jedoch, 
die demselben eigen war, gelang es auch ihm nicht, der sinnlichen Natur 
des Königs Meister zu werden. Mit Marie, der schönen und tugend- 
samen Tochter des Königs Stanislaus Lesczynski vermählt, zeigte 
Ludwig doch keinen Sinn für eine geordnete Häuslichkeit, er suchte 
Zerstreuungen an der unlautersten Quelle, und bald war man so weit 
*) Es ist unglaublich, mit welcher Blindheit und Leichtgläubigkeit das sonst so 
kluge französische Volk diesem Unternehmen sich hingab. „Die Baukzettel stiegen über 
ihren Nennwerth, die Aktien auf das Zehnfache des ersten Preises. Der ungeheure 
Gewinn erregte so allgemeinen Schwindel, daß selbst die besonnensten Leute ihr Be¬ 
sitzthum verkauften und ihr Gold und Silber fast allen Werth verlor. Man trachtete 
nur nach den wundervollen Papieren. In der Straße Quinquempoix, dem Sitze der 
den Papierverkehr leitenden Behörden, sah man von den vornehmsten Adeligen und 
Geistlichen bis auf den niedrigsten Pöbel Alles versammelt und auf Gelderwerb er¬ 
picht. Herzöge und Bischöfe, Magistratspersonen, Betrüger und Bettler, vornehme 
Damen und Dienstmädchen, Alles traf hier zu gleichem Zwecke zusammen. Die Miethe 
der Häuser stieg ins Unglaubliche, und Manche wurden nur dadurch reich, daß sie ihren 
Rücken hergaben, die eiligst abgeschlossenen Verträge darauf zu unterschreiben."
	        
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