len, der Jesuit Vota, am Hofe, und disputierte mit zwei ausge¬
zeichneten evangelischen Theologen über die beiderseitigen Lehren.
Ihm so wenig, wie dem englischen Freidenker Toland gelang es,
Sophie Charlottens ernsten evangelischen Glauben zu erschüttern.
Wenn die streitenden Parteien aber zu heftig au einander geraten
wollten, trat die Fürstin selbst durch ihre weibliche würdevolle Hal¬
tung und ihre wohlwollende Freundlichkeit vermittelnd ein.
Die schönen Künste waren in Charlottens Nähe ein wahrer
Schmuck des Lebens; besonders hatte Musik für sie den höchsten
Reiz, und ihre Liebe zu derselben ging auf den ganzen Hos und ans
die Hauptstadt über. Das eigentümlichste Talent der Fürstin aber
war das der zwanglosen, gemütlichen Konversation; dabei durste
sich Schmeichelei oder etwas Unschönes nicht an sie heranwagen; sie
war in allem offen, unverstellt und edel. Ihr bleibendes Verdienst
besteht darin, daß sie zuerst in unserm Vaterlande die geistigen Be¬
strebungen in den höheren Kreisen anregte und aufmunterte: die
Verbreitung feiner Lebenssitte und besserer geselliger Neigungen
ist ihr vor allem zu danken.
Sophie Charlotte starb, erst 37 Jahre alt, im Jahre 1705,
nachdem sie schon zwölf Jahre vorher in der schönsten Jugendblüte
ihr Testament mit christlich frommem Sinn niedergeschrieben hatte.
29. Friedrich Wilhelm I König in Preußen
(1718-1740).
Friedrich Wilhelms frühere Jahre. Friedrich Wilhelm
war am 4. August 1688 in Berlin geboren. Seine Mutter Sophie
Charlotte übergab feine erste Erziehung der Frau von Roucoulle,
welche sich als flüchtige Protestantin durch Mut und Kühnheit aus
Frankreich gerettet hatte und allgemeine Achtung genoß. Bei dem '
jungen Prinzen reichte jedoch weibliche Aufsicht nicht lange hin, früh¬
zeitig entwickelte sich mit der Körperkraft sein lebhafter Geist unb
starker Wille; es würbe ihm nun ein Erzieher in ber Person bes
General Gras Dohna gegeben. Die geistige Entwickelung bes Kna¬
ben nahm aber keineswegs bie Richtung, welche bie Mutter beab¬
sichtigte ; feine Fähigkeiten blieben auf ben bloßen natürlichen Men¬
schenverstand beschränkt, Lust unb Liebe zu ben Wissenschaften, Ge¬
schmack für Kunst unb feine Bildung blieben ihm fremd, — feine
Sitten befestigten sich immer mehr in roher Derbheit und feilte hef-