Full text: Leitfaden der vaterländischen Geschichte für Schule und Haus

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tigen Leidenschaften brachen oft in den gewaltigsten Ungestüm aus. 
In Rede und Haltung trat bei ihm eine kräftige Geradheit, eine 
Abneigung gegen allen Zwang hervor; seine Thätigkeit, der Wissen¬ 
schaft abhold, richtete sich bald mir auf das, was er für unmittel¬ 
bar nützlich hielt. Frühzeitig hatte er seine größte Freude an seiner 
Compagnie Kadetten, später bildete er sich in Wusterhausen ein be¬ 
sonderes Bataillon ans geschickten Offizieren und großen Soldaten. 
Neben jenen derberen Eigenschaften zeigte sich übrigens in dem Prin¬ 
zen eine einfache strenge Religiosität und ein rechtschaffener Sinn, 
der zwar von Leidenschaft hier und da überflutet wurde, aber sich 
immer wieder geltend machte. 
Friedrich Wilhelms Regierungsantritt. Nachdem 
Friedrich Wilhelm an dem Todbette seines Vaters dem Strom sei¬ 
ner Thränen freien Lauf gelassen, schritt er rasch durch die Reihen der 
Hofleute in fein Zimmer nnd ließ sich die Liste des Hofstaats vor¬ 
legen: er strich daraus alle Kammerjunker, Ceremoniemeister und 
behielt nur eine kleine Zahl Hofbeamte bei, ja auch diese nur mit ge¬ 
ringem Gehalt. Nach dem Leichenbegängnis des vorigen Königs legte 
er sofort militärische Uniform an, setzte sich zu Pferde und begab 
sich zu den auf dem Schloßplatz stehenden Trupcn. Seitdem hat 
er den Soldatenrock nicht wieder ausgezogen; er setzte die Macht und 
Geltung eines brandenburgischen Fürsten ganz in die Macht seiner 
Truppen, und war überzeugt, daß sein Land eine Rolle unter den 
ersten Staaten Europas nur erhalten könnte, wenn seine Heeres¬ 
macht der der übrigen Länder gleichgestellt würde. Sein Bestreben 
war daher jederzeit auf zweierlei gerichtet: auf Sold ateu und auf 
Geld; er selbst wollte, wie er sagte, „der Finanzminister und der 
Feldmarschall des Königs von Preußen sein". 
Friedrich Wilhelm hatte einen hohen Begriff von seiner Macht 
als unumschränkter Herr in dem ihm von Gott verliehenen Amt: 
er verlangte unbedingten Gehorsam, augenblicklich und ohne Wider¬ 
rede. „Raisonnier er nicht," ist seine Antwort auf unberufene Ein¬ 
rede und oft erteilt er mit Stockschlägen noch handgreiflicheren Be¬ 
scheid. Wenn die Stände widersprechen wollen, so sagt er es gera¬ 
dezu, daß er „die Junkers ihre Autorität ruinieren werde". Aber 
er ist sich dabei immer bewußt, daß er den Vorteil des Volks im 
Auge haben muß, das Herrschen ist ihm nicht bloß persönliche Lei¬ 
denschaft, er sieht es als Gottes Ordnung an: er fühlt sich seinem 
Staat verpflichtet und lebt nur seines Staats wegen. Er muß da-
	        
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