Full text: Kriegsbuch für die Jugend und das Volk

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mitfochten, haben mit Entrüstung und Ekel über 
Ausschreitungen schlimmster Art berichtet und 
den „glanzenden Sieg" Bothas mit Recht als 
einen Plüuderungs- und Zerstöruugsfeldzug vou 
Söldnern, Strolchen und Raufbolden gekenn¬ 
zeichnet. 
Tie wirtschaftliche Schwäche unseres Schutz¬ 
gebietes, sein Wüsteucharakter, ist zugleich seine 
militärische Stärke. Da das Land sür einen 
feindlichen Eindringling fast nichts bietet, muß 
jeder Bissen Nahrnng für Mensch und Tier nach¬ 
geführt werden, und dadurch steigert sich der 
Fuhrpark ins ungeheure. Dazu kommt die Was¬ 
serarmut, denn nur wenige Wasserstellen gibt es, 
die für eine Truppe von mehr als 1000 Mann 
mit ihrem gewaltigen Troß ausreichen. Nach 
der Seeseite zu ist das Schutzgebiet durch einen 100 
Fußspuren im fübroeftafriCantfetjen Sand. 
bis 150 km breiten Wüstengürtel von dem frucht¬ 
baren Innern getrennt, während an der Süd- 
grenze nördlich des Oranje eine bis über das 
Karas-Gebirge hinausreichende, stark zerklüftete, 
felsige und sandige Hochebene sich ausbreitet, die 
nur wenige Wasserstellen besitzt. Wenn Botha 
trotz alledem die Überwindung der beiden ge¬ 
fährlichen Landstreifen verhältnismäßig rasch 
glückte, so macht dies seiner Führerbegabung alle 
Ehre. Freilich hatten trotz aller Vorbeugungs¬ 
maßregeln seine Truppen viel durch Durst und 
Hitze zu leiden, und ihre Ausrüstung und ihr 
Unterhalt erforderten die Kleinigkeit von 300 
Millionen Mark. Einige verspätete Regenfälle 
kamen ihnen sehr zustatten, und doch mußten 
manche Abteilungen gelegentlich 60 Stunden 
und länger ohne einen Tropfen Wasser aus¬ 
harren. So war die Wasserbeschassnng immer 
die brennendste Frage in diesem trostlos dursti¬ 
gen Lande. Menschen und Pferde duldeten Höl¬ 
lenqualen in der ©chattenlosigfeit und Brat¬ 
hitze, gegen die bei einer Temperatur von 50° G 
weder Tropenhelme noch Schutzbrillen helfen 
wollten und der glühende Wüstensand verwischte 
bei jedem Windstoß jede Spur von Bahn und 
Weg, so daß namentlich die Schienenstränge fort¬ 
während wieder frei geschaufelt werden mußten. 
Selbst mit der Großtierwelt Afrikas mußten die 
beiderseitigen Truppen gelegentlich unliebsame 
Bekanntschaft machen. 
Deutsch - Südwestasrika hat zwei verwund¬ 
bare Punkte: Swakopmund und Lüderitzbucht, 
beide nicht nur als Hafenplätze, sondern auch als 
Ausgangspunkte der wichtigsten Binnenbahnen! 
von Bedeutung, beide aber leider jedem Angriff 
von der Seeseite her schutzlos preisgegeben. 
Beide reizten natürlich in besonderem Maße die 
Habsucht Englands. Lüderitzbucht, das alte 
Stammgebiet unserer Kolonie, diese armselige 
und doch so reiche Wüste mit den vielen glitzern¬ 
den Steinchen im Sande, die wegen ihres pracht¬ 
vollen Feuers und ihrer leichten Schleifbarkeit 
die Diamantenhändler der ganzen Welt in Ent¬ 
zücken versetzten — ja, das war etwas, das Den 
Tommys in die Nase stieg. Es dauerte denn 
auch nicht lange, bis sie sich blicken ließen. Nach¬ 
dem schon am 14. September 1914 ein eng¬ 
lischer Kreuzer ohne sonderliche Wirkung Swa¬ 
kopmund beschossen und Dadurch die Deutschen 
zur Sprengung des dortigen Fuukspruchturmes 
veranlaßt hatte, erschienen wenige Tage später 
feindliche Schiffe vor Lüderitzbucht. Am 18. war 
es schon ein ganzes Geschwader: 2 Kreuzer, 4 
Torpedoboote und ein Dutzend Transportschiffe. 
Es blieb nur kampflose Übergabe des Platzes 
übrig, denn den drohenden Feuerschlünden der 
Kreuzer hatte man nichts entgegenzustellen. Vor¬ 
her wurden der Funkspruchturm gesprengt, die 
Behörden und alle Vorräte mit der Bahn ins 
Innere geschafft und der Bahnkörper selbst durch 
eine zurückgelassene Unteroffizierspatrouille an 
zahlreichen Stellen gründlich zerstört. Am 19. 
früh kam ein Boot mit Parlamentärflagge an 
Land, wo Bürgermeister Kreplin, Schriftleiter 
Dtzen und Dr. Dommer als deutsche Vertreter 
die Engländer empfingen und ihnen erklärten, 
daß die Stadt keinen Widerstand leisten werde. 
Trotzdem wurden die Herren für verhaftet er¬ 
klärt. Gleich darauf begannen die Engländer 
mit der Ausschiffung. Alsbald fetzten Plünde¬ 
rungen rohester Art ein, und es begann in rück¬ 
sichtslosester Weise die „Anglisierung" des „er¬ 
oberten" Platzes. Vor allem wurden die ersehn¬ 
ten Diamantenfelder mit Beschlag belegt und die 
deutschen Kranken und Pflegefchwestern aus dem 
Krankenhaus hinausgeworfen, ohne daß sie auch
	        
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