12 I. v. Treitschke, Belle Alliance.
mußte zu Pferde davonjagen, obgleich er sich kaum im Sattel halten
konnte. Nur um die Fahnen scharten sich immer noch einige Getreue;
ihrer vier waren in der Schlacht verloren gegangen, die übrigen
wurden allesamt gerettet. Niemals in aller Geschichte war ein tapferes
Heer so plötzlich ans allen Fugen gewichen. Nach der übermensch¬
lichen Anstrengung des Tages brach alle Kraft des Leibes und des
Willens mit einem Schlage zusammen; das Dunkel der Nacht, die
Übermacht der Sieger, der umfassende Angriff und die rastlose Ver¬
folgung steigerten die Verwirrung. Entscheidend blieb doch, daß diesem
Heere bei all seinem stürmischen Mute die sittliche Größe fehlte.
Was hielt diese Meuterer zusammen? Allein der Glaube an ihren
Helden. Nun dessen Glücksstern verbleichte, waren sie nichts mehr
als eine zuchtlose Bande.
Die Sonne war schon hinter dicken Wolken versunken, als die
beiden Feldherren eine Strecke südlich von dem Hofe von Belle Alliance
mit einander zusammentrafen; sie umarmten sich herzlich, der bedacht¬
same Vierziger und der feurige Greis. Nahebei hielt Gneisenau.
Endlich doch ein ganzer und voller Sieg, wie er ihn so oft vergeblich
von Schwarzenberg gefordert; endlich doch eine reine Vergeltung für
allen Haß und alle Schmach jener entsetzlichen sieben Jahre! Es sang
und klang in seiner Seele; er dachte an das herrlichste der fridericiani-
schen Schlachtfelder, das er einst von seiner schlesischen Garnison ans
so oft durchritten hatte. „Ist es nicht gerade wie bei Leuthen?" —
sagte er zu Bardeleben und sah ihn mit strahlenden Augen an. Und
wirklich, wie einst bei Leuthen bliesen jetzt die Trompeter das Nun
danket Alle Gott! und die Soldaten stimmten mit ein. Aber Gneisenau
dachte auch an die Schreckensnacht nach der Schlacht von Jena, an
jene Stunden beim Webichtholze, da er die Todesangst eines geschla¬
genen Heeres, die dämonische Wirkung einer nächtlichen Verfolgung
mit angesehen. Noch gründlicher als einst an der Katzbach, sollte
heute der Sieg ausgebeutet werden. „Wir haben", rief er aus,
„gezeigt wie man siegt, jetzt wollen wir zeigen wie man verfolgt."
Er befahl Bardeleben mit einer Batterie den Fliehenden auf den
Hacken zu bleiben, immer aufs Geratewohl in das Dunkel der Nacht
hineinznschießen, damit der Feind nirgends Ruhe fände. Er selber
nahm was von Truppen zur Hand war mit sich, brandenburgische
Ulanen und Dragoner, Infanterie vorn 15. und 25. und vorn
1. pommerscheu Regimeute; Prinz Wilhelm der Altere, der die Re¬
servereiterei des Bülowschen Corps geführt, schloß sich ihm an.