Full text: Geschichtliches Lesebuch

IV. v. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. 53 
gewordene Zugeständnis, daß im Kriegsfall nach Röders Vorschlägen 
verfahren werden sollte, unb verhieß, gemeinsam mit Preußen am 
Bundestag für eine wirksame Reform der Bundeskriegsverfafsung thätig 
zu sein. Es bedarf nicht der Bemerkung, daß diese Zusage in allen 
ihren Teilen folgenlos geblieben ist. Jedenfalls war mit ihr die letzte 
Differenz zwischen den beiden Mächten beseitigt. Preußen war, ge¬ 
reinigt von den ketzerischen Gedanken des engern Bunbes, auf ben 
Boben ber großen Buubesakte zurückgekehrt. Der Kampf gegen bie 
vorausgesetzte Revolution mochte nun beginnen. 
Zunächst beschloß ber Bundestag ein Verbot, Unterschriften für 
Petitionen zn politischen Zwecken zu sammeln; es handelte sich um 
zahlreiche Eingaben zu Gunsten der polnischen Flüchtlinge und Aus¬ 
wanderer. Sodann wurde die 1819 eingesetzte, seither aber einge¬ 
schlafene Bundeskommission zur Beaufsichtigung der Presse wieder in 
das Leben gerufen, und durch sie sogleich eine Anzahl freisinniger 
Zeitungen in Baden und Bayern von Bundeswegen unterdrückt. Die 
dadurch entwaffneten Herausgeber und Schriftsteller verfielen seitdem 
auf ein anderes Agitationsmittel: sie begannen vornehmlich in der 
bayerischen Pfalz, in Unterfranken und in Oberhesfen Volksversamm¬ 
lungen zu veranlassen, dort tapfere Reden gegen die fürstliche Tyrannei 
zu halten und gelegentlich der Republik ein Hoch auszubringen. So 
ging das im Frühling 1832 von Ort zu Ort; die Leistungen der 
Sprecher wurden immer feuriger, die Anzahl der Zuhörer täglich 
großer, und König Ludwig, der bereits mit seinen Kammern sehr 
unzufrieden war, begann bei dem geräuschvollen Treiben besorgt und 
zornig zu werden. Indessen wurde in der Pfalz eine Hauptversamm¬ 
lung auf den 27. Mai, den Jahrestag der bayerischen Verfassung, 
ausgeschrieben, und unter diesem Titel von der hohen Ortspolizei amt¬ 
lich verstattet1). Aus allen Teilen des Landes strömten dann viele 
Tansenbe auf ben Abhängen bes Hambacher Schloßbergs zusammen; 
unter schmetternben Fanfaren würben beutsche unb polnische Fahnen 
entfaltet, von ben Rebnern bie kommenbe Freiheit unb beutsche Ein¬ 
heit unb bie Verbrüberung aller freien Völker gefeiert. Brausenbe 
Hochrufe folgten, mutige Lieber würben gesungen, viele Flaschen ebles 
Pfälzer Weines geleert unb bann nach solchen Thaten lustiges Herzens 
noch Haus gewaubert. Wenige Tage später erschien, von München 
abgesanbt, ber glorreiche Besiegte von Hanau, Fürst Wrebe, mit 
1) Vgl. Nr. IV, Seite 74 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.