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I. Die oberen Gottheiten.
Als Beschützer der Landstraßen, wie der Verkehrswege, wurden
dem Gotte Hermes Statuen auf denselben errichtet, die aus einer
nach unten hin spitz zulaufenden Säule bestanden, auf welcher
oben nur der Kopf des Hermes stand. Wer vor einer solchen
Herme oder Wegsäule vorüberging, mußte dem Gotte zu Ehren
einen Stein daneben legen, ein Gebrauch, durch welchen nicht nur
die Äcker von Steinen wohlthätig gereinigt, sondern auch die ersten
Veranlassungen zur Verbesserung.der Wege und dadurch zur Er¬
leichterung des Verkehres der Menschen untereinander gegeben wurden.
Auch war er der Anrichter der Opfer; denn er opferte ja
einige Kühe der Herde, welche er dem Apollon entführt hatte.
Doch erscheint er anch als Schützer der Viehherden, wie in den
Hermen als Gott des Segens der Äcker, Gärten und überhaupt
des Verkehres.
In den älteren Abbildungen wird Hermes als kräftiger Mann
dargestellt, mit starkem, spitzem Barte, langen Haarflechten, einer
zurückgeschlagenen Chlamys (Mantel), einem Reisehute, Fußflügeln
und in der Hand den Stab. Wir haben eine Darstellung der
vollendeteren Kunst gewählt (s. tab. X).
Darin erscheint er
„als kräftiger Jüngling, ohne Bart, mit kurzem Haupt¬
haare, das Haupt mit dem Petasus (Flügelhute) bedeckt, in
„der einen Hand den beflügelten, mit zwei Schlangen — den
„Sinnbildern der Klugheit — umwundenen Stab (den Herolds-
„stab, Kerykeion oder Cadncens), in der anderen Hand den
„Beutel, und an den Füßen Flügel, als Zeichen der flüchtigen Eile."
Auch findet man neben ihm einen Hund oder Hahn, als
Sinnbilder seiner Verrichtungen, dargestellt.
In Griechenland und Rom*) waren ihm mehrere Tempel
und Feste gewidmet, bei welchen man ihm besonders die Zungen
verschiedener Tiere als eineu Tribut opferte, den man ihm, als
*) Auch den Cirkus in Rom, den großen Schauplatz festlicher Kampf¬
spiele, die daher circensische hießen und bei den Römern sehr beliebt waren,
hatte man dem Merkur gewidmet.