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III. Heroen ober Halbgötter.
„stehenden Gestalten sind Okeaniden, welche denselben um
„Befreiung des Prometheus anflehen."
Die Menschen lebten mittlerweile im Besitz des prometheischen
Geschenkes in wesentlich verbesserten Zuständen, aber auch sofort
mit dem Eintritt dieser ungleich weniger der Götter eingedenk.
Da beschloß Zeus, ihnen die Übel und Leiden zu seudeu, in denen
das Menschengeschlecht geläutert und zur Gottheit zurückgeführt
wird. Und wie die biblische Erzählung den Sündenfall, durch
den alles Leid und alle Mühe auf die Erde kam, vom Weibe
ableitet, so ist es auch nach griechischem Mythus ein Weib, durch
welches den Menschen die Übel zukamen. Die Erzählung hier¬
von aber ist diese.
Zeus ließ durch Hephästos ein Menschengebilde aus Thou
formen, welches mit allen Aulageu und Schwächen der Menschen,
aber mit göttlicher Schönheit ausgestattet wurde, uud dem alle
Götter einen Teil ihrer besonderen Gaben verliehen. Aphrodite
umgab ihr Haupt mit Anmut, Athene lehrte sie die weiblichen
Kunstfertigkeiten, Hermes gab ihr List uud Verschlagenheit und
die süß einschmeichelnde Rede, die Horen aber und Chariten
kleideten sie köstlich, daß es für Götter und Menschen eine Lust
anzusehen war. Und die Götter nannten die Jungfrau Pandora,
d. h. die von allen Beschenkte, und sandten sie durch Hermes zu
Prometheus' Bruder Epimetheus, dem Nachbedacht. Wohl
hatte Prometheus diesen gewarnt, kein Geschenk von Zeus anzu¬
nehmen, aber leidenschaftlich und vorschnell handelnd, wie er war,
nahm er die wunderschöne Jungfrau in sein Hans auf und
machte sie zu seinem Weibe.
Pandora hatte als Mitgift von den Göttern ein großes,
verschlossenes Faß mitgebracht und Prometheus abermals gewarnt,
dasselbe nicht zu öfsuen. Allein der Nachbedacht Epimethens
war neugierig, was es enthielte, uud gestattete seiner Gemahlin,
den Deckel abzuheben. Kaum aber war das geschehen, als aus
dem Fasse alle Übel und Leiden, Seuchen und Krankheiten her¬
vordrangen , an denen die armen Menschen seit der Zeit leiden;