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sich der Bewirtschaftung seiner Güter oder den Studien zu. Der Sinn
für Rechtssicherheit und Gesetzlichkeit, welcher im Schoße der Städte er¬
wachsen war, ergriff auch die Gemüter des Adels und machte ihn ehren¬
haft. So hat das deutsche Bürgertum sowohl durch tapfere Gegenwehr
im Wege der Gewalt, als auch vorzugsweise durch die hinter den schützen¬
den Mauern der Städte gepflegte Bildung und Gesittung dem Raubritterwesen
ein Ende gemacht.
4L Die Ritterheere.
(Nach: Mart. Baltzer, Zur Geschichte des deutschen Kriegswesens. Leipzig, 1877. S. 1 — 116).
Pie Volksheere spielten in späterer Zeit nicht mehr die bedeutende
Rolle, welche ihnen in den Kämpfen der Merooinger und älteren Karo¬
linger zugekommen war. Die Aufbietung des Volkes zum Kriege erfolgte
immer seltener und fast nur noch behufs der Landesverteidigung. Vieler-
orten beschränkte sich im elften Jahrhundert und auch später die Waffen-
thätigkeit der nicht kriegerisch lebenden Leute, also des weitaus größten
Volksteiles, auf die sogenannte Landfolge, d. H. sie hatten, wenn das Ge¬
rüste erhoben war, bewaffnet zu erscheinen und bei der Verfolgung von
Friedensbrechern aller Art sich zu beteiligen. Ursache dieser selteneren Auf¬
bietung war vor allem die geringe Leistungsfähigkeit der Volksaufgebote.
Die Bauernscharen, aus denen sie bestanden, erscheinen in den Berichten des
neunten und späterer Jahrhunderte als ungeübte und schlechtbewaffnete
Truppen. Namentlich war es ein Mangel, daß diese Truppen, als es
galt, bei häufigen Grenzkriegen und Fehden im Innern des Reiches rasch
bald hier bald dort zu sein, zu wenig leichtbeweglich, weil unberitten waren.
Im Laufe des zehnten und elften Jahrhunderts wurden die Heere
mehr und mehr nur ans Vasallen und Ministerialen zusammengesetzt, für
die der Kriegsdienst, den sie zu Rosse und in besserer Rüstung leisteten,
gleichsam zum Berufe ward. Die kriegerische Lebensweise, die sie führten,
verlieh ihnen höhere Ehre und schied sie als eineu besonderen Stand, den
Stand der milites oder Ritter, von dem übrigen Volke aus.
Während das alte Recht für die Leistung des Kriegsdienstes keinerlei
Entgelt gewährt hatte, erwartete jetzt jeder, der im Kriege diente, von dem
Kriegsherrn eine Gegenleistung, und viele Ritter unterzogen sich dem Kriegs¬
dienste wie einer Arbeit zum Zwecke des Erwerbs. Im Nibelungenliede
wird die Thatsache, daß Siegfrieds Kriegsdienst gegen die Sachsen ohne
Entgelt bleibt, als eine Ausnahme hervorgehoben und besonders begründet
mit den Worten: „ darzuo was er ze riebe, daz er ibt naeme solt.“
Die Verpflichtung zum Reichskriegsdienste lastete nicht auf dem Grund¬
besitz als solchem, sondern nur auf dem Lehnbesitz der Vasallen und Mi¬
nisterialen, sofern dieser die Entschädigung für den Dienst vertrat. Ritter,
die von einem anderen z. B. von einem Fürsten mit dessen Eigen belehnt