Full text: Griechische Geschichte

226 
Lysander und Perikles. 
Staatsverwaltung ihre Hände gierig ausstrecken sieht, oder als wäre es 
möglich durch Androhung vou Strafe in dem einzelnen eine Leidenschaft zu 
zügeln, die man für das ganze Gemeinwesen hervorruft und nährt. Das 
Gesetz, welches dem einzelnen verbot Gold und Silber zu besitzen, wurde 
bald und leicht umgangen; die Kriegssteuern, den Bundesgenossen jetzt 
von Sparta abgefordert, füllten nicht die Kasse des Staats, sondern nur 
den Beutel der Beamten und mit den Mitteln zum Genusse wuchs auch 
das Jagen nach Genuß, erst heimlich, bald unverdeckt: so daß die Grund¬ 
steine selbst wankten und wichen, auf denen bisher die Kraft des sparta¬ 
nischen Staates ruhte. So kann man gewissermaßen sagen, Lysander sei 
für sein Vaterland, was Perikles für Athen, gewesen, wenngleich dieser 
mit vieles edler und überhaupt von anderer Natur war: der eine nahm 
den Bundesgenossen, der andere der einzigen Nebenbuhlerin die Selbstän¬ 
digkeit, um die eigene Vaterstadt über alles groß zu machen; beide be¬ 
trachteten das Geld als eines der vornehmsten Mittel zur Größe ihres 
Staates, während sie selbst für sich nur den Ruhm, nicht das Geld such¬ 
ten; beiden gelang die Erhebung ihres Staates zur höchsten Macht, aber 
in den Mitteln zn dieser Erhebung keimte schon der Anfang des sittlichen 
Verfalls, der überall den politischen Untergang vorbereitet; und beide 
endigten ihre Laufbahn mit geringerem Rnhme, als sie dieselbe begonnen 
hatten. Denn Lysander, schon früher unter den andern Griechen durch 
Eitelkeit, rohe Sitten und Mordlust verhaßt geworden, verdunkelte später¬ 
hin seinen großen Namen dadurch, daß er auf den Umsturz der bestehen¬ 
den spartanischen Verfassung ausging. 
Mit dem von Sparta gewährten Frieden und der Erfüllung seiner 
Bedingungen war der peloponnesische Krieg beschlossen. Die gedemütigten 
Athener sahen ein, daß sie, wenn es einmal ihren Überwindern so gefiel, 
die demokratischen Einrichtungen nicht behaupten konnten, unter denen sie 
mit Ausnahme eines vor sieben Jahren gemachten Versuches einer oligar- 
chischen Regierung bisher gelebt hatten, und wählten daher nach der Wei¬ 
sung der Sieger aus ihrer Mitte dreißig Männer mit dem Auftrag, die 
alte Staatsverfassung zn prüfen und ans derselben herauszuheben, was 
von jetzt an als gesetzliche Norm in Athen zn gelten habe. Diesen ihren 
eigentlichen Beruf aber ließen die Dreißig ganz außer Acht uud trachteten 
nur die Demokratie nicht mehr aufkommen zu lassen und ihre eigene 
Macht so sehr als möglich zu befestigen: zn diesem Ende besetzten sie die 
öffentlichen Ämter und den Senat nur mit solchen Männern, die ihnen 
durchaus ergeben waren. Dagegen erwarben sie sich ein Verdienst, indem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.